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Die Verschollenen

Die Verschollenen

Titel: Die Verschollenen
Autoren: Brian Keene
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einstechen, aber er hieß den Schmerz willkommen, denn dieser war ein Zeichen dafür, dass er noch am Leben war - selbst wenn er das letzte Gefühl war, das er je wahrnehmen würde.
    Das Knurren wurde lauter.
    »Ich habe gewonnen«, sagte er wieder. »Ich bin der Letzte, der auf der Insel zurückgeblieben ist. Ich bin der Letzte, der noch aufrecht steht.«
    Die Büsche teilten sich, und aus Stefans Lachen wurden Schreie.
    Die Kreaturen stürzten sich auf ihn.

EPILOG
    J erry erwachte ruckartig und setzte sich voller Panik auf. Er umklammerte das Satinlaken und rang keuchend um Luft. Dann hörte er den gedämpften Verkehrslärm. Irgendwo bellte ein Hund. Er hatte wieder einmal geträumt, er sei auf der Insel. Im Traum war er zusammen mit Troy durch den Tunnel gekrochen, aber als er sich umdrehte, war Troy verschwunden. Dann hörte er, wie die Kryptiden auf ihn zustürmten. Ihr Geschrei und ihr Getrampel hallten von den Wänden wider. Anders als in der Wirklichkeit sprachen die Kreaturen Englisch, riefen ihm Drohungen zu und beschrieben all das, was sie ihm antun würden, wenn sie ihn endlich schnappten. Jerry kroch in einen Seitentunnel und sah sich plötzlich einer wolkenartigen schwarzen Masse mit Tentakeln gegenüber, deren glühende rote Augen ihn boshaft anfunkelten. Eine mit Fell bewachsene Hand landete auf seiner Schulter. Krallen gruben sich in sein Fleisch. Dann war er aufgewacht.
    Er holte ein paarmal tief Luft, rieb sich das Gesicht und wartete darauf, dass die letzten Nachwehen
des Albtraums vergingen. Die Träume von der Insel suchten ihn mindestens einmal pro Woche heim, aber dieser war der schlimmste des letzten halben Jahres gewesen. Er hatte niemandem außer seiner Therapeutin von diesen Albträumen erzählt. Sie hatte ihm erklärt, dass er an einem posttraumatischen Stresssyndrom litt, mit der Zeit aber alles vergehen würde. Jerry war sich da nicht so sicher. Sein Großvater war im Vietnamkrieg gewesen, und der alte Mann hatte an posttraumatischem Stress gelitten, bis er an den Folgen seiner Alzheimererkrankung gestorben war.
    Bis er sich bei Castaways beworben hatte, hatte Jerry immer gedacht, das sei die schlimmste Art zu sterben, die es überhaupt gab.
    Jetzt wusste er es besser.
    Und jetzt verstand er auch, wie sich sein Großvater gefühlt haben musste.
    Manchmal, wenn es ihm besonders schlecht ging, fragte er sich, ob Richard, Sal, Ryan, Shonette und die anderen nicht eigentlich Glück gehabt hatten. Immerhin war für sie alles vorbei. Sie mussten nicht mit den Folgen leben. Sie mussten nicht die Schuldgefühle, die Depressionen und die Wut ertragen. Sie bekamen keine Panikattacken, wann immer sie den Ozean sahen oder den Fernseher einschalteten.
    Als sich sein Puls wieder normalisiert hatte und der Traum erfolgreich verdrängt war, glitt er aus dem Bett und zog sich Morgenmantel und Hausschuhe
an. Der weiche Stoff glitt schmeichelnd über seine Haut. Der Geruch von frisch geschnittenen Blumen erfüllte den Raum. Er warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass es sechs Uhr morgens war. Die ersten Sonnenstrahlen krochen durch die Vorhänge. Er überlegte, ob er sich auf die Veranda setzen und dort seinen Morgenkaffee trinken sollte. Oder vielleicht sollte er ein paar Cocktails mixen und den Tag mit einem Paukenschlag beginnen.
    Becka kroch unter ihrer Decke hervor und öffnete die Augen. Blinzelnd sah sie sich im Schlafzimmer um. Sie wirkte irgendwie steif. Angespannt. Jerry schenkte ihr ein Lächeln, das sie sichtlich entspannen ließ. Sein Lächeln wurde breiter. Als sie es erwiderte, vergaß er seinen schlimmen Traum. Selbst nach der langen Zeit wurde er immer noch schwach, wenn sie lächelte. Er hoffte, dass dieses Gefühl nie vergehen würde.
    »Guten Morgen, Sonnenschein.«
    »Selber guten Morgen.« Gähnend streckte sie die Arme über den Kopf. Die Decke rutschte runter und entblößte ihre Brüste. »Hast du gut geschlafen?«
    »Ging so«, log er. »Und du?«
    »Ziemlich gut.«
    Jerry wusste, dass Becka ebenfalls log. Ein paar Stunden zuvor hatte er gehört, wie sie im Schlaf gestöhnt, gewimmert und immer wieder aufgeschrien hatte. Er hatte sie sanft geschüttelt und ihr ins Ohr geflüstert, bis es aufhörte.

    »Troys Privatjet landet um elf«, meinte Jerry. »Ich werde ihm einen Wagen schicken, der ihn abholt.«
    »Ist das nicht irgendwie komisch?«
    »Was?«
    »Na, Troy mit Privatjet und so.«
    »Nicht komischer als wir mit unserem Haus in Beverly Hills und einer Kette
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