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Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing

Titel: Die Vermissten - Casey, J: Vermissten - The Missing
Autoren: Jane Casey
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ganz früh morgens geht sie mit ihm hinaus. Richtig fürsorglich. Deshalb war mir, als ich dann den blutverschmierten Hund sah, klar, dass ihr etwas zugestoßen sein musste.« Er holte tief Luft und blinzelte seine Tränen weg. » Ich hätte sie niemals allein gehen lassen dürfen, aber ich dachte doch, sie sei sicher…«
    Er schlug die Hände vors Gesicht, und Elaine und ich warteten, bis er sich wieder gefasst hatte, da wir ihm in seiner Trauer nicht zu nahetreten wollten. Ich weiß nicht, wie Elaine es empfand, aber für mich war es nur schwer auszuhalten. Kurz darauf schrillte die Pausenklingel durch den stillen Raum, sodass er zusammenzuckte und wieder zu sich kam.
    » Der Hund kam also wieder nach Hause gelaufen?«, erkundigte ich mich, nachdem die Klingel verstummt war.
    Einen Moment lang schaute er mich verwirrt an. » Oh… ja. Es war ungefähr um elf. Wir machten die Tür auf, und da stand er.«
    » War denn die Leine noch dran?« Es war unübersehbar, dass beide meine Frage für völlig unangebracht hielten, aber ich wollte einfach wissen, ob Jenny den Hund vielleicht losgemacht und dann aus den Augen verloren hatte. Möglicherweise hatte sie noch lange nach ihm gesucht und dann einen Unfall gehabt. Oder die Leine war ihr entglitten– vielleicht weil jemand nachgeholfen hatte. Kein Hundehalter würde seinen Vierbeiner unbeaufsichtigt mit schleifender Leine laufen lassen, da er sich darin verfangen und sich dabei verletzen könnte.
    » Ich weiß es nicht mehr«, erwiderte er schließlich und rieb sich nachdenklich die Stirn.
    Elaine schaltete sich ein. » Michael– Mr. Shepherd– hat daraufhin persönlich das Polizeirevier aufgesucht und die Beamten aufgefordert, endlich nach ihr zu suchen. Etwa um Mitternacht haben sie dann schließlich angefangen, die entsprechenden Formulare auszufüllen.«
    » Da war sie schon seit sechs Stunden verschwunden«, warf Shepherd ein.
    » Das ist einfach unglaublich. Wissen die denn nicht, wie wichtig es ist, nach vermissten Kindern so schnell wie möglich zu suchen?« Ich konnte nicht fassen, dass sie derart schwerfällig waren und seine Aussage erst so spät aufgenommen hatten. » Die ersten vierundzwanzg Stunden sind die kritischen, die absolut entscheidenden, und davon haben sie ein Viertel einfach verstreichen lassen.«
    » Ich wusste gar nicht, dass Sie sich damit so gut auskennen, Sarah«, merkte Elaine an und lächelte säuerlich. Ihre Miene sagte allerdings: Halt den Mund, und hör zu, du dumme Gans.
    » Der Polizeihubschrauber ist ungefähr um zwei Uhr morgens gestartet«, fuhr Michael Shepherd fort. » Mit Hilfe einer Infrarotkamera haben sie das Waldstück abgesucht, wo sie immer mit Archie spazieren gegangen ist. Sie meinten, dass sie sie durch die Wärme ihres Körpers selbst im Unterholz orten könnten. Aber sie konnten nichts finden.«
    Also war sie entweder nicht dort, oder ihr Körper hat keine Wärme mehr abgegeben. Man musste kein Experte sein, um zu begreifen, worauf das hinauslief.
    » Sie sagen immer wieder, dass es dauern könne, bis Ausreißer gefunden werden, obwohl ich ihnen erklärt habe, dass sie gar keine Ausreißerin ist. Nachdem sie im Wald keinen Erfolg hatten, begannen sie die Aufzeichnungen von Überwachungskameras der umliegenden Bahnhöfe auszuwerten, um zu überprüfen, ob sie vielleicht nach London gefahren ist. Aber das würde sie niemals tun. Immer wenn wir mit ihr dort waren, fand sie es ganz schrecklich. Als wir voriges Jahr in London Weihnachtseinkäufe gemacht haben, hat sie die ganze Zeit meine Hand nicht losgelassen. Es herrschte ein solches Gedränge, dass sie Angst hatte, verloren zu gehen.« Er schaute hilflos von mir zu Elaine und dann wieder zu mir zurück. » Sie ist irgendwo da draußen, keiner findet sie, und sie ist mutterseelenallein.«
    Mein Herz krampfte sich vor Mitleid mit ihm und seiner Frau zusammen angesichts dessen, was die beiden gerade durchmachten. Doch meine Gedanken kreisten noch immer um das, was er gesagt hatte, und eine Frage musste ich ihm unbedingt noch stellen: » Warum gibt es denn keinen Suchaufruf? Wäre es nicht gut, die Leute zu fragen, ob jemand sie gesehen hat?«
    » Sie wollen noch abwarten. Sie haben uns gesagt, dass es das Beste sei, wenn sie erst einmal selbst nach ihr suchen, ehe sie durch Fehlinformationen und eigenmächtige Suchaktionen bei ihrer Arbeit behindert werden. Wir wollten auch auf eigene Faust suchen, aber sie haben uns gebeten, zu Hause zu warten, falls sie zurückkommt.
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