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Die Vermessung der Frau

Die Vermessung der Frau

Titel: Die Vermessung der Frau
Autoren: Regula Stämpfli
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wird immer« übersetzt wird. Sie erzählt die Geschichte eines Bestattungsunternehmens. Jede Sendung beginnt mit dem Tod eines Menschen, der dann den Ausgangspunkt für die storyline bildet. Auch in »Gestorben wird immer« ist der Körper Ausgangspunkt für die Erzählung, auch zu Beginn mit einer Leiche. In einer Gesellschaft wie der amerikanischen zeigt sich der Tod als einziges Bindemittel, das Menschen noch am selben öffentlichen Ort versammeln kann.

    Sind die wichtigsten Orte, wo sich Menschen noch treffen, privatisiert, so kommt am Ende eines Lebens eben nur der Friedhof als Begegnungsstätte in Betracht. So mutiert das Bestattungsunternehmen zum einzig verbliebenen öffentlichen Raum. Falls Sie nun wiederum innerlich zusammenzucken, dann zeigt dies nur, dass Sie in der Schweiz, in Deutschland sowie in Österreich von der breiten Privatisierungswelle öffentlicher Räume noch nicht so betroffen sind wie die meisten Menschen in den USA. So ist es in Europa noch nicht üblich, staatliche Park- und Grünanlagen aus finanziellen Gründen an Private zu verschachern und die Menschen – einmal mehr – öffentlicher Anlagen zu berauben. Sie wissen noch nicht, was es für Menschen bedeutet, keine öffentlichen Schwimmbäder, kaum gut funktionierende öffentliche Schulen sowie öffentliche Spitäler benutzen zu dürfen. Sie wissen nicht, was die Zukunft, die durchaus im amerikanischen Modell liegt, uns noch alles bringen wird. Deshalb lohnt es sich, gerade bei Serien genauer hinzuschauen. Wie Technik den Menschenverstand ersetzt, zeigt »CSI Miami«.

    Die Detektive lösen ihre Aufgabe vor allem durch instrumentelle Logik und nur am Rande durch Befragungen. Materie statt Kommunikation. DNA, Staub, Kleiderfetzen, Ausscheidungen lebens-, arbeits- und produktionstechnischer Art geben Auskunft über den Tathergang und schließlich über den oder die
Täter. Die mikroskopische Zerteilung dessen, was der Fall ist, führt zum Ganzen.
    Philosophisch spiegeln Sendungen wie z. B. »Dr. House«, oder »CSI Miami« – wie schon angedeutet – die ausschließlich materiellen Aspekte menschlichen Daseins sowie die Überlegenheit instrumenteller über die menschliche Vernunft.

    Der menschliche Körper steht im Fokus, er spricht, er zeigt, er lässt sich zerstückeln, reparieren, aufbereiten, während der Mensch als solcher eigentlich verstummt. Die Körper sprechen und verändern sich, während der Mensch ziemlich brutal, unveränderlich und lügend wahrgenommen wird.
    So fügen sich die Serien nahtlos in das Weltbild des technischen Machbarkeitswahn ein. Zuerst war es Gott, der Menschen kleinmacht, nun erledigen das Maschinen.

    Der Entdeckungsdrang des Menschen ging also Hand in Hand mit Zahlen und führte dazu, dass nicht nur die äußere Welt ihrer Geheimnisse beraubt wurde, sondern auch die innere. Das Äußere wurde kleingemacht, während das Innere nach außen gestülpt und überdimensional groß wurde. Dies verschob jedoch die Proportionen gewaltig. Menschen wurden nur noch gesehen, aber kaum mehr als solche gehört und wahrgenommen.

    Weshalb zählen in der Gegenwart materielle Eigenschaften viel mehr als all jene menschlichen Kommunikationsformen, die nicht so einfach gewogen, gemessen oder eingeteilt werden können? Wie kommt es, dass das antike Theater sprachlich bildreich von Menschen erzählt, während die modernen Filme vorwiegend in Bildern zu uns reden? In welche Welten tauchen wir da ein?

    Wie gesagt, manifestiert sich in der Medizin die wirkliche »Lebenswahrheit« wohl am einfachsten in der Leiche. Denn nur dann kann der Mensch vollends ausgemessen werden. Wenn
Sie nun meinen, ich übertreibe grandios, dann haben Sie nur zum Teil recht. Denn eigentlich sind solche Logiken durchaus schlüssig. Wenn schon die Unendlichkeit nur als Zahlenverhältnis verstanden wird, dann ist es keine Überraschung, möglichst alles bei Null zu beginnen lassen.

    Das Teleskop führt direkt zur Entsinnlichung der Welt, zum Verlust der Welt und zum Verschwinden des Menschen hinter Zahlen.
    »Könnten wir die Triebkraft historischer Ereignisse messen wie die Stoßkraft natürlicher Vorkommnisse, so dürfte sich herausstellen, dass das, was sich bei seinem Erscheinen am wenigstens bemerkbar machte, nämlich die ersten tastenden Schritte des Menschen von der Erde weg auf die Entdeckung des Universums hin, an Geschwindigkeit und Wucht ständig gewachsen ist, bis es nicht nur die ungeheure Erweiterung der Erdoberfläche, das
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