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Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug

Titel: Die Verlorenen - Die Soldaten in Napoleons Russlandfeldzug
Autoren: Eckart Klessmann
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Wundertieren vom Pöbel begafft, verhöhnt und fortwährend körperlich mißhandelt wurden. Hierbei zeichnete sich besonders der dortige Judenplebs aus, der mit den verübten Gewalttätigkeiten noch gewinnsüchtige Absichten verband, indem er trotz unseres ärmlichen Äußeren noch verborgene Kostbarkeiten oder Geld bei uns versteckt wähnte, die uns hierdurch erpreßt werden sollten.«
    In Minsk wurden die Offiziere in ein enges Verlies gesperrt und aufgefordert, der Russisch-Deutschen Legion beizutreten, was einmütig abgelehnt wurde. Daraufhin wurde die ohnehin schon viel zu knapp bemessene Lebensmittelration gekürzt, und weitere 14 Offiziere starben. Um nicht zu verhungern, riskierte es Peppler, das Gefängnis zu verlassen und um Brot zu betteln: »Nachdem ich nun vor mehreren Türen die Formel, die ich mir für jene Brotkollekte in russischer Sprache zu eigen gemacht hatte, wiederholt und an einigen Brot erhielt, an anderen aber mit Mißhandlungen abgewiesen wurde, führte mich mein Unstern in eine Judenwohnung, in welcher Wirtschaft getrieben wurde. Des Juden erste Frage war: ›Was will der Herr, der Franzus, der Spitzbube?‹ Als ich nun erklärte, daß ich Brot begehre, ward mir der Bescheid: ›Geh der Spitzbub nach Moskau zu den Herrschaften, da bekommt er Brud.‹ Ich weiß nicht, welche unselige Laune mich anwandelte, den Versuch zu wagen, durch Vorstellung meiner Lage dieses israelitischeGemüt zu erweichen. Ich konnte trotz der entgegengesetzten Erfahrung es nicht über mich gewinnen, dem Glauben zu entsagen, daß er die Sprache des deutschen Vaterlandes rede, auch Gefühl für das Mißgeschick des Deutschen haben müsse. Ich sagte daher mit wehmütiger Miene zu ihm: ›Aber Ihr werdet doch einem deutschen Offizier ein Stück Brot nicht verweigern, wodurch Ihr seinen Hunger stillt und Euch vielleicht das Verdienst erwerbt, sein Leben zu retten?‹ Doch ein Jude in Polen und Demonstrationen an sein Herz! Welch ein seltsamer Einfall von meiner Seite! Erbost sprang der Mensch auf und rief: ›Der Spitzbube braucht nicht zu leben, geht der Hund mehr mit dem Spitzbuben Napoleon.‹ Er begleitete diese Worte mit einem Winke, den er einem in der Stube befindlichen und leider mit einem Schlaginstrumente versehenen Russen gab, der sich auch gleich gegen mich erhob. Allein die gereizte Stimmung, in der ich mich nun gerade an diesem Tage befand, und mein durch die Antwort des Juden empörtes Gefühl ließ mich vergessen, daß ich Gefangener sei, und drohend erwiderte ich: ›Du Jude, du bist der erste Spitzbube, und wenn ich das Glück habe, mit Napoleon wiederzukommen, bist du der erste, der gehängt wird.‹ Man stelle sich nun die Raserei des Juden vor und denke sich, wie schrecklich ich unter Beihilfe des Russen mißhandelt und vor die Türe geworfen ward.«
    Am 2. April 1813 wurden die – inzwischen – 40 Offiziere nach Tambow gebracht. Die Wachmannschaft nutzte die Gelegenheit, die Gefangenen, die in Minsk die vom Zaren bestimmte Löhnung bekommen hatten, gründlich auszuräubern und nach Belieben zu prügeln. Als die Gefangenen es wagten, sich in Tambow beim Gouverneur zu beschweren und um einige Tage Rast zu bitten, da sie sofort nach Saratow transportiert werden sollten, bekamen sie zur Antwort: »Ihr französischen Bestien habt ja nie Ruhe gehalten, warum sucht ihr sie hier? Ihr hättet bei eurem Spitzbuben Napoleon bleiben sollen.« Als der Gouverneur außerdem die Beschwerde überdie widerrechtliche Ausplünderung durch die Eskorte wegwischte, erklärten ihm die Offiziere, man werde dann eben den Fall an den Zaren weiterleiten. Worauf der Provinzfürst schrie: »Geht zum Teufel, ihr französischen Hunde! Der Himmel ist hoch, der Kaiser ist weit.«
    In Saratow, wo die Offiziere am 12. Juli ankamen, war der Empfang allerdings ein ganz anderer. Der Gouverneur, der gut französisch und etwas deutsch sprach, »bedauerte die Unmenschlichkeiten, die Frevlerhände an uns verübt hätten«, und versprach Unterstützung. »Wir wurden jetzt in Saratow einquartiert und offenbar absichtlich bei lauter russischen Einwohnern, unerachtet eine Menge von Deutschen dort wohnen, die eine eigene Straße, die deutsche Straße genannt, innehaben. Ich möchte beinahe glauben, daß dies geschah, um uns Gelegenheit zu geben, von den Russen eine bessere Idee zu erhalten; denn wirklich wurden wir von denselben während unseres fünftägigen Aufenthalts in dieser Stadt nicht nur schonend, sondern sogar zuvorkommend höflich
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