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Die Vergangenheit des Regens

Titel: Die Vergangenheit des Regens
Autoren: Tobias O. Meißner
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ebenfalls Magierinnen«, schmunzelte der König nun. »Ihr alle seid es. Ihr müsst es lediglich zu nutzen begreifen.«
    Alles andere als zufrieden mit dieser Antwort holte die Ritterin sich Helm und Lanze von ihrem Lager, überprüfte die Verschlüsse ihrer Rüstung, suchte und fand die am Stelenfeld übende Bhanu Hedji, verabschiedete sich von Jeron und Seraikella, die beide eifrig angetrabt kamen und denen sie einschärfte, alles klaglos auszuführen, was die Riesen ihnen während ihrer Abwesenheit auftrugen – und fand sich nach einem kurzen, raucherfüllten Ritual des Rates der Sieben, nach Licht, Dunkelheit und einem Traum, an den sie sich anschließend nicht mehr erinnern konnte, in der legendenumwobenen Höhle des Alten Königs am entgegengesetzten Ende des Kontinents wieder.

    Für Jeron MeLeil Gabria und Seraikella verlief der restliche Blättermond ruhig, entschieden zu ruhig. Unter der Obhut des von Hellas Borgondi angeschossenen, jedoch schon wieder seinen Aufgaben nachkommenden Riesenschamanen kurierten sie weiterhin ihre Verwundungen aus. Danach hatten sie beide das Gefühl, auf Jahre hin keine Pilze mehr sehen zu können. Immerhin wurde Jeron seine Gehhilfen los, und Seraikellas Narben waren nur noch Schlieren – die ungestümen Pinselschwünge eines Schwertschemens.
    Am 1. Nebelmond knöpften sie sich fünf Haarhändler vor. Einfach nur so, um zu sehen, wozu sie nach ihrer verwundungsbedingten Zwangspause noch in der Lage waren.
    Die fünf waren nicht einmal die üblichen Jungspunde, gerade Mutterns Rockzipfel entfleucht, die in der weiten Welt zu Talern und Ruhm kommen wollten. Es handelte sich vielmehr um erfahrene, sehnige Fährtenleser, die schon im Larnwald Flechtenwölfe und Baumspinnen zur Strecke gebracht hatten und im südlichen Bereich der Klippenwälder hinter Langhornkeilern und den sagenumwobenen Buschelefanten vom Anga hergewesen waren, ohne allerdings jemals eines dieser Tiere zu Gesicht zu bekommen. Nun waren sie den Behausungen der Riesen schon näher gekommen als alle anderen Haarhändlerrotten, und Jeron und Seraikella fielen über sie her, als seien die Fährtenleser selbst eine Beute, die um ihrer Stoßzähne willen hoch gehandelt wurde. Im Nu hatte Seraikella einen mit der Breitseite seines Schwertes von den Füßen gehauen und Jeron einen zweiten niedergeschlagen. Jeron hatte dazu die zerbrochenen Degen falsch herum in den Händen, mit den Klingenruinen an seinen Unterarmen, und benutzte Griff und Handschutz der Waffe wie Schlagringe. Zwei Haarhändler wehrten sich, einer flüchtete sofort. Jeron bewegte sich geschmeidig hierhin und dorthin und schlug abwechselnd mit links und rechts dermaßen schnell und hart zu, dass er die beiden Wehrhaften rasch mit aufgeplatzten Gesichtern am Boden hatte. Seraikella setzte unterdessen dem Flüchtenden nach, der jedoch schneller und langbeiniger war. Also warf Seraikella kurzerhand sein Schwert und nagelte den Flüchtenden damit an einen Baum. Schlagartig erstarben alle Bewegungen und sämtlicher Lärm.
    Seraikella zog sein Schwert aus dem Toten, sodass dieser ungelenk am Baum herabrutschte und einen blutroten Strich abwärts malte. Dann machte sich der hünenhafte Krieger ans Plündern, so wie auch Jeron, der die Besiegten fachmännisch nach Münzen, Ringen und anderweitigen Wertsachen durchsuchte.
    Â»Es gibt Hunderte von denen«, sagte Jeron, nachdem Seraikella wieder zu ihm zurückgekehrt war. »Eigentlich schade, dass die Riesen keine Kopfprämie für sie zahlen. Wir könnten uns tagelang so beschäftigen.«
    Seraikella schwieg. Er fühlte sich ein wenig besser, hatte endlich einmal wieder einen Kampf bestanden. Aber gegen was für Gegner? In einer Welt, in der es reitende Schwertschemen und in schwarze Rüstungen gehüllte Söldnertrupps der Königin gab, Affenmenschen und Spinnenmenschen; in einer Welt, in der Gebirgsbäche ehrfürchtig die Namen der letzten Bartendrachen wisperten und in der die Riesen von wandelnden Schattengöttern raunten, hatte umherstreifendes Mordgesindel keine wirkliche Bedeutung.
    Als sie zurückkehrten zu den verborgenen Höhlen, trat ihnen mitten im Wald der Riesenkrieger Arnetukritt in den Weg. Arnetukritt war ein noch verhältnismäßig junger Kämpfer, sein Haar und Bart waren weizenblond, aber an Statur überragte er beinahe alle
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