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Die Verfuehrung Des Ritters

Die Verfuehrung Des Ritters

Titel: Die Verfuehrung Des Ritters
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oft von diesem Mann gesprochen und ihr erzählt, wie er die Krone an sich gerissen hatte, nachdem der alte König gestorben war. Wie er Mathilda, die rechtmäßige Erbin des Throns, verbannt und die besten Truppen ganz Englands aufgeboten hatte, um seinen Herrschaftsanspruch zu sichern. Wie er die rebellierenden Lords und geldgierige Bürger in den letzten zwei Jahrzehnten in ihre Schranken verwiesen hatte. Und jetzt stand er nur wenige Zoll von ihr entfernt und drückte seine Lippen auf ihren Handrücken.
    Und hinter ihr stand Marcus.
    »Ich habe Euer Geschenk erhalten«, sagte der König und berührte ein Gesteck aus getrockneten Rosenblütenblättern, das er an dem Innenfutter seiner Weste befestigt hatte. Gwyn hatte ihm die seltene Rose von Everoot geschickt, die zweimal im Jahr blühte. Sie hatte zugleich ihre jährlichen Unterstützungszahlungen an den König geleistet.
    Sie hob den Blick und schaute ihn aus Augen an, die so rund waren wie der Stopfen in einem Fläschchen. »Es war wohlgewählt, Euer Gnaden«, stammelte sie.
    »Es kam mit einer Nachricht.«
    »Ja, mein Herr«, murmelte sie und neigte erneut den Kopf.
    »In der stand, ich könne mir der unsterblichen Treue der Erbin von de l'Ami gewiss sein.«
    Sie neigte den Kopf noch tiefer. »Es ist nur ein geringes Zeichen meiner tiefen Ergebenheit und der unverbrüchlichen Beständigkeit Eurer nördlichen Provinz, Mylord.«
    »Und ein schönes Zeichen, Herrin. Eines, an das ich mich erinnern werde, sobald ich der Unterstützung bedarf.« Mit einer leichten Berührung seiner Hand half er ihr, sich aufzurichten.
    »Die Treue Eures Vaters war unerschütterlich, und ich werde ihn vermissen. Er war mein Freund.«
    »Wie es unser Name schon sagt«, murmelte sie.
    »De l'Ami«, besann sich der König mit einem schmalen Lächeln. »Ein Freund, das war er wirklich.«
    »Mein Vater hätte sich geehrt gefühlt, hätte er Euch so reden hören können. Dass er nun von uns gegangen ist, bereitet mir große Pein, aber die Möglichkeit, Eurem Willen zu gehorchen, lindert diesen Schmerz, Euer Gnaden. Ich stehe Euch jederzeit zur Verfügung.«
    Die dunklen Augen des Königs betrachteten nachdenklich ihren gesenkten Kopf.
    »Ich werde mich daran erinnern.«
    »Mylord«, murmelte Gwyn. Ihr Gesicht war leichenblass, als sie sich aufrichtete. Es hatte sich keine Gelegenheit ergeben, ihn im Gespräch um eine persönliche Unterredung zu bitten. Er schob sich bereits wieder durch die Menschenmenge.
    Sie wollte ihm folgen, als Aubrey de Vere, einer der engsten Ratgeber des Königs, sich ihr in den Weg stellte. Der Graf von Oxford hatte eine wechselvolle Vergangenheit, in der er seinen Treueschwur beständig einem anderen Herren geleistet hatte. Aber ihre Väter waren zusammen auf dem Kreuzzug gewesen, und Gwyn spürte, wie ein leiser Funke Hoffnung in ihr aufflackerte, als er ihre Hände umfasste und mitfühlend drückte.
    »Mylady, bitte lasst mich Euch mein aufrichtiges Beileid ausdrücken. Wie sehres mich betrübt hat, vom Tod Eures Vaters ...«
    »Mein lieber Lord Oxford«, unterbrach sie ihn und schloss ihrerseits die Hände um seine. »Ich muss dringend eine Audienz beim König haben. Sofort. Könnt Ihr mir das ermöglichen?«
    Er drückte ihre Hände. »Natürlich, Mylady«, sagte er beruhigend. »Es wird das Erste sein, was ich in der Früh für Euch tun werde. Ich werde die Termine des Königs sichten und ...«
    »Nein. Ich muss ihn jetzt sofort sprechen.« Sie drängte nach vorn und versuchte, über Oxfords breite Schulter einen Blick auf
    den König zu erhaschen. Sie bedrängte ihn so unnachgiebig, dass sie sich tatsächlich fast an ihm hätte vorbeischieben können, wenn er auch nur einen Zoll nachgegeben hätte.
    »Aber, Mylady«, sagte er mit weicher, ruhiger Stimme, als wollte er sie beschwichtigen. Stattdessen stellten sich ihr die Nackenhaare auf. »Der König kann jetzt nicht. Er hat zu viele Verpflichtungen, denen er sich heute Abend widmen muss.«
    »Das ist doch lächerlich«, widersprach sie. »Er ist doch da vorne. Es wird nur ...« Sie verstummte, als ihr gleichzeitig zwei Dinge bewusst wurden. Erstens: Der König war nicht mehr zu sehen. Er war erstaunlich schnell davongeeilt, ob auf eigenen Wunsch oder auf Drängen anderer, vermochte sie nicht zu sagen. Und zweitens: Der Graf von Oxford und Marcus blickten einander über ihren Kopf hinweg an. Oxford nickte kaum merklich.
    Ein kalter Angstschauder lief Gwyn den Rücken hinunter. Das Herz hämmerte ihr in der
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