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Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)

Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)

Titel: Die Verführung der Arabella Fermor: Roman (German Edition)
Autoren: Sophie Gee
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Backofen. Die Uhr schlug elf, und er lauschte, wie die Schläge hohl durch das leere Haus hallten. Er hatte gedacht, seine Mutter werde aufbleiben und auf ihn warten, aber anscheinend war niemand mehr wach. Der flackernde Schein seiner Kerze malte lange Schatten an die Wand, die rings um ihn aufragten, wie die grotesken Finger einer Hand. Das erinnerte ihn an die Nächte gegen Ende seiner Krankheit, wenn er wach gelegen hatte in dem schweigenden Haus, gestrandet zwischen der Welt der Lebenden und der Toten.
    Aber als er in seinem kleinen Schlafzimmer war, brannte die Kerze stetig, beleuchtete die vertrauten Bilder von Bett und Büchern und Kamin. Er zog sich aus und saß in sein Nachtgewand gehüllt vor dem schwachen Feuer. Sie hatten ihn also vergessen. Nach einer Weile nahm er seine Kerze mit hinüber an den Schreibtisch und begann die Zeilen des Gedichtes zu lesen, an dem er schrieb. Ein paar Minuten lang saß er da, grübelte über einem Reimpaar, strich ein Wort aus, änderte einen Reim und machte die Änderung dann wieder rückgängig. Dann schob er heftig das Papier fort.
    Er konnte hier nicht bleiben! Dieses Haus, die altväterlichen Gewohnheiten seiner Eltern, die erstickende Routine ihrer Religion, ja, das Land selbst mit seinem Frösteln und der Feuchtigkeit, die ihm in die Knochen drang … Langsam, aber sicher würden ihn diese Dinge umbringen. Während seiner Wochen in London letztes Jahr war er von mehr Energie erfüllt gewesen, als er seinem mageren Gestell je zugetraut hätte. Aber seit er wieder zu Hause war, wurde er matt und matter, während die Monate dahingingen.
    Er hatte es sich bis jetzt nicht recht eingestehen wollen, aber es war einzig und allein Whiteknights gewesen, das ihn hier gehalten hatte; seine Freude, Teresa zu sehen, und seine Hoffnung, die alte, glückliche Vertrautheit ihrer Kindheit wiederherzustellen. Doch wie lange würde die Freude anhalten angesichts ihres neuen Widerstands? Und bald würde sie fort sein, und Martha mit ihr. Martha, so geduldig und von so untrüglichem Verständnis! Dann sah er in Gedanken seine Eltern vor sich, die um seinetwillen das eigene Wohlergehen hintangestellt hatten, Jahr um Jahr sich sorgend um seine zarte Gesundheit. Der Gedanke rührte ihn zu Tränen, aber er wusste gleichzeitig auch, dass sie nichts weiter für ihn tun konnten – und er glaubte, dass auch sie angefangen hatten, das zu begreifen.
    Egal, dass er Katholik war. Egal, dass er ein Krüppel war. Angst und Zweifel durften ihn nicht aufhalten. Er würde nach London gehen und sein Glück suchen.
    Er nahm ein frisches Blatt Papier, schrieb an John Caryll und bat ihn um eine Fahrt in seiner Kutsche in die Stadt. Er siegelte den Brief, dann griff er nochmals zur Feder und begann einen zweiten Brief an Charles Jervas, fragte ihn, ob er in seinem Hause in der Stadt wohnen dürfe. Er erklärte Jervas, dass sein Besuch auf etwa drei Wochen geplant sei, aber in seinem Herzen wusste er, dass er viel länger dauern würde.
    Am nächsten Tag schreckte er davor zurück, seinen Eltern zu sagen, was er getan hatte, und beschloss, damit zu warten, bis die Arrangements sicher waren.
    Er brauchte nicht lange zu warten. Caryll war entzückt, als er den Brief bekam, und schrieb zurück, sie würden sich auf den Weg machen, sobald die Straßen trocken waren. Und Jervas beschwor ihn, so bald wie möglich zu kommen und so lange zu bleiben, wie er wolle. Da schließlich stählte sich Alexander, um seinem Vater von dem Plan zu erzählen.
    Er saß in einem Sessel am Feuer, als Alexander ihm die Neuigkeiten unterbreitete, und zu Alexanders Erstaunen war er nicht zornig. Als er sich seinem Sohn zuwandte, war sein Gesicht zerfurcht von Traurigkeit.
    »Mein lieber Junge«, sagte er, »wie kann ich dich aufhalten? Du hast recht; ich weiß, dass du recht hast. Du bist der Sohn eines Handelsmannes, ein römischer Katholik. Und dennoch wirst du in der Stadt wohnen, im Hause eines Mannes, der Protestant ist und Künstler. London muss sich tatsächlich verändert haben, und sollte ich es je wiedersehen, ich fürchte, ich würde es nicht mehr erkennen. Deine ist eine Welt, an der ich niemals teilhaben kann. Zieh mit John Caryll in die Stadt. Schreib deine Verse. Ich weiß, du träumst vom Ruhm, ich bete, dass er dir zuteilwird, und ich bete für deine Sicherheit.«
    Die Worte seines Vaters berührten Alexander weit mehr, als Zorn und Unwille es vermocht hätten. Tief erschüttert dachte er einen Moment daran,
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