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Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Titel: Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften
Autoren: Katharina Ceming Jürgen Werlitz
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für seine Behauptung in Passagen des „Evangeliums nach Maria“ und in denen des apokryphen „Philippusevangeliums“ zu finden. Einen Beleg für ein Verhältnis zwischen Jesus und Maria sieht er u. a. in Stellen wie EvMar 10,1–3, wo Petrus zu Maria sagt: „Schwester, wir wissen, dass der Erlöser dich weit mehr liebte als den Rest der Frauen“; oder in einer ähnlichen des „Philippusevangeliums“ (EvPhil 55b), wo es sinngemäß heißt, dass Jesus sie mehr als alle anderen Jünger liebte und sie oft auf den Mund küsste. Was die anderen Behauptungen Browns anbelangt, so kann man sie getrost ins Reich der Märchen und Phantasien verbannen. Sie sind nichts als pure Fiktion, die auf nachweislich gefälschten Dokumenten des Franzosen Pierre Plantard basieren, die von den beiden britischen Autoren Michael Baigent und Henry Lincoln in ihren Werken als historische Quellen dargestellt wurden. Deren Werke waren ihrerseits nun für Browns Bestseller mutmaßlich die wichtigsten Quellen
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    Doch zurück zu den Evangelien. Betrachtet man die gerade genannten Stellen im Kontext der entsprechenden Schrift, so zeigt sich eine gänzlich andere Bedeutung, als Brown sie gerne hätte. Wenn man z. B. das „Evangelium nach Maria“ biszum Ende liest, dann sieht man, um was es bei diesen Passagen wirklich geht, nämlich um die Frage nach dem wahren Lieblingsjünger Jesu. Am Ende des „Evangeliums nach Maria“ (18,12–15) heißt es: „Sicherlich kennt der Erlöser sie aufs Genaueste. Deswegen liebte er sie mehr als uns.“ Vergleicht man die Passage des „Evangeliums nach Maria“ mit der Stelle aus dem „Philippusevangelium“, auf die sich Dan Brown ausdrücklich bezieht, so zeigt sich auch dort die Betonung des Vorrangs Marias unter den Jüngern. Nicht Petrus, sondern Maria Magdalena repräsentiert den Jünger, den Jesus am meisten liebt, und zwar nicht weil sie so erotisch wäre, sondern weil sie die wahre Botschaft vom Gottesreich im Gegensatz zu den anderen Jüngern versteht. Es geht hier nicht um die Liebe eines Mannes zu einer Frau, sondern um die des Lehrers zum Schüler
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    Wie aus nahezu allen gnostischen Texten lassen sich eben auch aus dem „Evangelium nach Maria“ keine neue Informationen über das Leben des historischen Jesus gewinnen. Dies gilt in gleichem Maß für Maria Magdalena. Obwohl sich nirgends im Text der Beiname „Magdalena“ findet, verweist der im koptischen Text gebrauchte Name Mariham bzw. sein griechisches Äquivalent Mariame auf Maria von Magdala, da die Mutter Jesu in der Regel auch den Beinamen „Mutter Jesu“ trägt. Zudem lässt die Tatsache, dass in gnostischen Texten Maria Magdalena sehr geschätzt wird, darauf schließen, dass es sich im uns vorliegenden Text nicht um die Mutter Jesu handelt
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    Wieso wurde nun gerade hier Maria Magdalena dazu auserwählt, die Hauptfigur zu spielen? Der Verfasser oder vielleicht die Verfasserin des „Evangeliums nach Maria“ entstammte, wie bereits bemerkt, dem gnostischen Milieu der damaligen Zeit. Für gnostische Autoren waren alle Personen von Bedeutung, die mit dem nachösterlichen Jesus Kontakt hatten, da hier die Möglichkeit weiterer Offenbarungen durch Christus offen stand. Im kanonischen Johannesevangelium (Joh 20) begegnet Maria uns als Augenzeugin des Auferstandenen. Damit war sie besonders in gnostischen Kreisen dazu prädestiniert, geheime Offenbarung durch den Auferstandenen zu erhalten
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    Eine weitere Möglichkeit, weswegen Maria Magdalena zur Hauptfigur des Evangeliums wurde, besteht vielleicht darin, dass darauf verwiesen werden sollte, Frauen seien zur spirituellen Leitung in der Christenheit befähigt. Diese Position wurde zu Beginn des 2. Jahrhunderts in der sich entwickelnden Großkirche immerheftiger diskutiert und letztlich zu Ungunsten der Frauen entschieden. Für den Verfasser des „Evangeliums nach Maria“ waren der gnostische Weg und der Erwerb des gnostischen Wissens nicht vom Geschlecht, sondern von der Bereitschaft, diesen zu gehen und sich dieses einzuverleiben, abhängig
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    Und damit zum Text, seinem Inhalt und dessen Bedeutung. Das „Evangelium nach Maria“ setzt fragmentarisch mitten in einem Gespräch des nachösterlichen Jesus mit seinen Jüngern ein, bei dem es um die Frage nach der Vergänglichkeit der Natur geht. In diesem Teil des Evangeliums ist von Maria Magdalena noch keine Rede. Der Erlöser erläutert, dass alles, was existiert, der Materie nach vergehen und zu seinem geistigen Ursprung
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