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Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften

Titel: Die verbotenen Evangelien: Apokryphe Schriften
Autoren: Katharina Ceming Jürgen Werlitz
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zurückkehren wird. Daran anschließend stellt Petrus die Frage nach der Sünde der Welt. Diese besteht laut dem Erlöser darin, Dinge zu tun, die dem Ehebruch gleichen. Denn so wie der Ehebrecher seine Bestimmung verfehlt, weil er sich an den falschen Partner hängt, so verliert sich der Mensch an die Materie und verfehlt seine Bestimmung, die darin besteht, ein geistiger Mensch zu werden. Der Mensch hat sich an die Materie und damit an den Tod und das Leid gefesselt und findet deswegen den Weg zum geisthaften Ursprung nicht mehr. Nach dieser Belehrung, dem Friedensgruß, der Ermahnung, keinem Irrlehrer zu folgen und das Evangelium zu verkünden, verlässt der Erlöser seine Jünger. Diese sind aber über die an sie gerichtete Aufgabe so traurig, weil sie um die Leiden Jesu wissen, die er wegen der Verkündigung seiner Botschaft erfuhr, dass sie zu weinen beginnen
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    In dieser trostlosen Situation erhebt sich nun Maria Magdalena, die ihrerseits die Jünger umarmt, und ihnen Mut zuspricht, was ihr auch gelingt. Maria verhält sich hier ähnlich wie Christus bei seinem Abschied am Anfang des Textes, ja sie scheint fast dessen Rolle zu übernehmen. Dadurch wird ihr eine herausragende Position unter den Jüngern zuerkannt. Im Gegensatz zu den anderen Jüngern ist Maria nicht von Zweifeln erfüllt. Sie verweist darauf, dass der Herr sie bereits zu neuen und damit echten Menschen gemacht hat, weswegen ihre Mission auch gelingen wird. Der neue Mensch, von dem Maria in Anlehnung an Jesus spricht, ist der gnostische, der die Wahrheit erkennt. Wiederum im Gegensatz zum Rest der Jünger hat Maria diese bereits erkannt. Dies unterstreicht dann später auch die Eingangsszene ihrer Vision, wo der Erlöser sie selig preist, weil sie bei seiner Erscheinung nicht wankt, ein gnostischer Topos
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    Petrus selbst fordert sie nun auf, ihr Wissen über den Erlöser kundzutun, weil allen bekannt ist, dass Christus sie von allen Frauen am meisten liebte. Auffällig ist hier, dass Petrus die herausragende Position Marias, nur auf ihre Stellung unter den Frauen beschränkt. Dieser Einschränkung widerspricht später der Jünger Levi, der dagegen halten wird, dass Jesus Maria von allen Jüngern und nicht nur von den Frauen am meisten liebte
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    In Marias Vision, von der maximal die Hälfte im Codex erhalten ist, preist Christus diese selig, weil sie bei seinem Anblick nicht wankt. Auf ihre Frage, wodurch die Vision wahrgenommen wird, durch die Seele oder den Geist, erklärt er ihr, dass sie durch den Verstand erfasst wird, der ein Mittelding zwischen Seele und Geist darstellt. Maria beschreibt nun den stufenweisen Aufstieg der Seele aus den vier unteren Himmeln, mit denen jeweils ein Hindernis verbunden ist. Das erste ist nicht bekannt, da es auf einer der im Mittelteil fehlenden Seiten des Codex steht. Das zweite Hindernis ist die Begierde, das dritte die Unwissenheit, das vierte der Zorn, der selbst wieder in sieben Gestalten unterteilt ist: die Finsternis, die Begierde, das Nichtwissen, die Todessehnsucht; das Königreich des Fleisches, das Halbwissen des Fleisches und die Weisheit des Zornigen (15,5–12). Vermutlich hängt die Siebenteilung des vierten Hindernisses damit zusammen, dass neben dem Schema von vier zu durchschreitenden unteren Himmeln auch eines mit sieben existierte. Beide Modelle wurden hier miteinander verbunden
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    Ungewöhnlich mag es erscheinen, dass der Zorn die Seele als Menschenmörderin und Ortevernichterin anredet. Beide Begriffe stehen für den gnostischen Weg. Die Seele ist deswegen eine Menschenmörderin, weil sie den alten, d. h. den fleischlichen Menschen getötet hat (vgl. Kol 3,9–10) und eine Ortevernichterin, weil sie den Ort des alten, materiellen Lebens überwunden hat. Marias Seele hat den Ort der Ruhe und des Friedens erreicht. Damit endet ihre Vision und sie schweigt
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    Der Apostel Andreas ist nun der erste, der das Wort ergreift und Zweifel an der Echtheit dieser Vision äußert, da sich ihr Inhalt nicht mit dem in Einklang bringen lässt, was er von Christus weiß. Andreas steht hier als Repräsentant der Großkirche, die alle gnostischen Lehren, und eine solche beinhaltet die Vision Marias, als falsch bewertet. Sein Bruder Petrus hingegen kann sich nicht vorstellen, dass Jesus einer Frau etwas offenbart, was er den männlichen Jüngern verschweigt. Er hat Zweifel an Marias Offenbarung, nur weil sie eine Frau ist
.
    Maria ist so betrübt über diese Zweifel, dass nun sie zu weinen beginnt. Sie richtet
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