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Die verbotene Pforte

Die verbotene Pforte

Titel: Die verbotene Pforte
Autoren: Nina Blazon
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Querstange fest«, ermahnte er ihn. »Am Anfang gibt es einen ziemlichen Ruck. Und nie nach hinten schauen! Dabei wird es einem nur schwindlig.«
    Der Mancor fauchte, sein Löwenschweif peitschte erwartungsvoll hin und her. Tobbs spürte den Luftzug und fröstelte.
    »He – jaa!«, rief Sid und lockerte die Zügel. Der Ruck warf Tobbs nach hinten. Mit aller Kraft klammerte er sich an die Holzstange. Nach zwei schnellen Schritten setzte der Mancor zum Galopp an – federnd glitt der Wagen über den holprigen Boden und beschleunigte die Fahrt.
    Tobbs musste blinzeln, als der Gegenwind seine Lider niederdrückte und ihm fast die Luft nahm. Die Landschaft flog an ihm vorbei.
    »Toll, was?«, schrie Sid ihm durch das Dröhnen des Windes zu. Tobbs konnte nur völlig überwältigt nicken, während das Kribbeln in seinem Magen fast unerträglich wurde. Seltsamerweise machte es ihm nicht einmal Sorgen, dass die Bäume am Plateaurand näher und näher kamen. So schnell, als hätte er mit einem Blinzeln einen Zeitsprung ausgelöst, waren die buckligen Bäume direkt vor ihnen!
    »Ducken!«, brüllte Sid. Tobbs konnte gerade noch den Kopf einziehen, als ihm schon abgerissene Zweige um die Ohren flogen. Der Mancor hatte zwei der Bäume einfach niedergewalzt. Auf das berstende Krachen folgte schwebende Stille.
    Tobbs spuckte ein Stück bitterer Rinde aus und sah sich staunend um. Sie flogen! Sid lenkte den Wagen in eine steile Kurve. So klein wie ein Gewürzdöschen zog unter ihnen der Tempel vorbei. Das goldene Dach blitzte in der Sonne. Eine schwarze Furche schnitt das Plateau in zwei Hälften – die Hufe des riesigen Tieres waren zerstörerischer als ein Hexenpflug! Nun aber trat der Mancor lautlos auf, gewaltige Muskeln arbeiteten unter seinem Fell. Das Ungeheuer schnaufte schwer, während es den Wagen in einem weiten Bogen höher und höher zog – direkt auf die Berge zu! Tobbs war seltsam zumute – er hatte Lust, unbändig zu lachen. Sid grinste ihm triumphierend zu – seine Wangen glühten vor Eifer.
    Unter ihnen trieben wolkengefüllte Täler dahin und Wälder voll rosa blühender Bäume. Die Mähne des Mancors flatterte. Als sie über den ersten verschneiten Berg hinwegflogen, zog das Tier nach unten, setzte auf dem Gipfel auf und galoppierte fünf, sechs Sprünge lang durch den Schnee. Eine glitzernde Schneefontäne ergoss sich über den Wagen. Sid kreischte vor Vergnügen. Mühelos stieß der Mancor sich wieder in die Luft ab und gehorchte willig Sids Zügelzug. Das Gefährt drehte ab und schraubte sich in einer raumgreifenden Spirale in den Himmel.
    »Noch ’ne Runde?«, rief Sid.
    Tobbs schüttelte atemlos den Kopf und deutete nach vorn. »Über den Berg!«
    Sid verzog keine Miene, aber seine Augen leuchteten. Die Zügel lagen sicher in seinen Händen. Doch plötzlich ließ er das Leder durch seine Finger gleiten.
    »Lass sie nicht los!«, rief Tobbs.
    »I wo!«, schrie der Dämon. »Ich lasse sie nur locker, der scheint genau zu wissen, wo er hinwill!«
    »Findest du denn wieder zurück?«
    »Hat meine Schwester Schlangenzähne?«
    Mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend beobachtete Tobbs, wie der Mancor sein Haupt schüttelte und abrupt über die Bergkuppe jagte. Eine Schar glänzend weißer Vögel stob kreischend auseinander.
    Die Berge lagen nun hinter ihnen, stattdessen flogen sie über Geröll und endlose Ebenen. Erst weit am Horizont erhob sich eine neue Hügelkette. Seltsam zackige, regelmäßige Strukturen ragten in den Himmel. Ab und zu blitzte etwas auf. Der Mancor schnaubte aufgeregt und beschleunigte. Das Blitzen schien ihn zu interessieren.
    »Das sind keine Berge, oder?«, brüllte Tobbs gegen den Wind an. »Das da vorne ist … eine Stadt oder so was!«
    Sid blies die Backen auf und überlegte. Tobbs spähte angestrengt zum Horizont. Wieder glitzerte es in dem zackigen Gebilde – vielleicht waren es Glasscheiben, in denen sich die Sonne spiegelte?
    »Na ja«, meinte der Dämon zögernd. »Könnte schon sein, ja, du könntest Recht haben. Ich schätze, es ist eine Stadt.«
    Seltsamerweise empfand Tobbs keinerlei Angst – viel zu faszinierend war das Gebilde, das näher und näher kam. Bald konnte er weitere Einzelheiten ausmachen: Türme und spitz zulaufende Giebel erhoben sich über flachen Dächern. Noch nie hatte Tobbs solche Häuser gesehen – mit glatten Wänden und hohen, schmalen Mauern. Lack in den verschiedensten Rottönen glänzte in der Sonne. Die Häuser hatten nicht
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