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Die verborgene Wirklichkeit

Die verborgene Wirklichkeit

Titel: Die verborgene Wirklichkeit
Autoren: B Greene
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berechenbaren mathematischen Strukturen basieren. Im Gegensatz zur vollständigen Version des letztmöglichen Universums hat diese stärker eingeschränkte Verkörperung eine Entstehungsgeschichte, die sie über die Stellung einer reinen Behauptung hinaushebt. Die wirklichen und simulierten Benutzer, die hinter dem simulierten Multiversum stehen, simulieren definitionsgemäß berechenbare mathematische Strukturen und sind deshalb in der Lage, diesen Teil des letztmöglichen Universums zu erzeugen.
    Mit Experimenten oder Beobachtungen etwas über den Wahrheitsgehalt der verschiedenen Multiversums-Theorien in Erfahrung zu bringen, ist sicher eine langfristige Aufgabe. Unmöglich ist es aber nicht. Der potenzielle Nutzen wäre immens, sollte der natürliche Lauf der theoretischen Forschung in die Erkundung von Multiversen münden; angesichts dieser Aussicht müssen wir den Weg weiterverfolgen und herausfinden, wohin er führt.
    Wie wirkt sich ein Multiversum auf das Wesen wissenschaftlicher Erklärung aus?
    Manchmal konzentriert sich Wissenschaft auf Details. Sie erklärt uns, warum Planeten sich auf elliptischen Umlaufbahnen bewegen, warum der Himmel blau und Wasser durchsichtig ist, warum mein Schreibtisch sich fest anfühlt. So vertraut uns diese Tatsachen auch sein mögen, eigentlich ist es erstaunlich, dass wir sie erklären können. Manchmal fasst Wissenschaft Größeres ins Auge. Sie offenbart uns, dass wir in einer Galaxie leben, die ein paar hundert Milliarden Sterne enthält, sie weist nach, dass unsere Galaxie nur eine von mehreren hundert Milliarden ist, und sie liefert Indizien für unsichtbare Dunkle Energie, die jede Ecke und jeden Winkel dieser gewaltigen Arena durchzieht. Blicken wir nur hundert Jahre zurück in eine Zeit, als man das Universum für unbeweglich hielt und glaubte, es enthalte nur unsere Milchstraße, dann können wir das großartige Bild, das die Wissenschaft seither gezeichnet hat, zu Recht feiern.
    Manchmal tut Wissenschaft aber auch noch etwas anderes. Manchmal fordert sie uns heraus, unsere Ansichten über die Wissenschaft selbst auf den Prüfstand zu stellen. Der übliche, jahrhundertealte wissenschaftliche Rahmen setzt
voraus, dass ein Physiker, der ein physikalisches System beschreiben will, dreierlei Aussagen machen muss. Wir haben alle drei in den verschiedensten Zusammenhängen kennengelernt, aber es ist hilfreich, sie hier noch einmal zusammenzufassen. Da sind als Erstes die mathematischen Gleichungen, mit denen die einschlägigen physikalischen Gesetze beschrieben werden (das können Newtons Bewegungsgesetze sein, die Maxwellschen Gleichungen des Elektromagnetismus oder die Schrödinger-Gleichung der Quantenmechanik). Das Zweite sind die Zahlenwerte aller Naturkonstanten, die in den mathematischen Gleichungen vorkommen (beispielsweise die Konstanten, die über die intrinsische Stärke von Gravitation und elektromagnetischen Kräften bestimmen oder die Masse der Elementarteilchen festlegen). Und drittens muss der Physiker die »Anfangsbedingungen« eines Systems benennen (beispielsweise einen Fußball, der von der Mittellinie mit einer bestimmten Geschwindigkeit in eine bestimmte Richtung geschossen wird, oder ein Elektron, das zu Beginn mit einer Wahrscheinlichkeit von jeweils 50 Prozent bei Grants Grab oder Strawberry Fields zu finden ist). Dann sagen die Gleichungen etwas darüber aus, wie der Stand der Dinge zu einem späteren Zeitpunkt sein wird. Sowohl die klassische als auch die Quantenphysik spielen sich in diesem Rahmen ab; sie unterscheiden sich nur darin, dass die klassische Physik Aussagen dazu trifft, wie die Dinge sich zu einem bestimmten Zeitpunkt definitiv verhalten werden, während die Quantenphysik lediglich besagt, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Dinge so oder so sein werden.
    Wenn man vorhersagen will, wo ein geschossener Ball landen wird oder wie ein Elektron sich durch einen Computerchip (oder auch ein Modell von Manhattan) bewegt, ist dieser Dreischritt nachweislich sehr leistungsfähig. Wenn es aber darum geht, die Wirklichkeit in ihrer Gesamtheit zu beschreiben, werden wir durch die drei Schritte ermuntert, tiefer zu bohren: Können wir die Anfangsbedingungen erklären – also etwas darüber sagen, wie der Stand der Dinge zu einem mutmaßlich allerersten Zeitpunkt war? Können wir die Zahlenwerte der Konstanten – die Teilchenmassen, die Stärke der Kräfte und so weiter – erklären, auf denen diese Gesetze beruhen? Können wir erklären,
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