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Die Vampire

Titel: Die Vampire
Autoren: Kim Newman
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den Mund gespritzt.
    Das Haus Dracula ist eines der großen Vermögen der Welt und wird nun nach meinem Gutdünken verstreut werden, um verdienstvolle Projekte rund um den Globus zu unterstützen. Das Haus Vajda hatte sich in Gestalt der armen Prinzessin Klageweib eine Allianz gewünscht, um im Triumph in sein Heimatland zurückkehren zu können. Ich bin mir nicht sicher, was ich mir von der Hochzeit erhofft hatte. Es war einer meiner Versuche, den Graf aus seiner Erstarrung zu wecken. Es lag auf der Hand, dass er mich nie als geeignete Gemahlin erachten würde, aber Asa hatte Geblüt, Kinderstube und Grausamkeit aus den Tagen vor der Renaissance. Meine Hoffnung war, dass die Hochzeit ihn wecken, ihn wieder zu Dracula machen würde.
    Ich habe ihn wohl geliebt. Charles habe ich wohl auch geliebt.
    Charles hätte ich beinahe umgebracht. Während ich im Fieberwahn lag und mit Blutegeln übersät war, fantasierte ich davon, das Herz einfach herauszureißen, das du mir entführt hattest, Geneviève, und es über deinem Gesicht auszudrücken.
    Dracula habe ich umgebracht.
    Ich redete mir ein, dass Charles mich endlich freigegeben hätte, damit ich die Tat ausführen konnte. Durch sein Sterben. Er war das Letzte, was von meinem warmblütigen Leben übrig war. Tut mir leid, Katie, aber du lebst nicht mehr. Genauso wenig wie ich. Mit Charles’ Tod bin ich aus der Welt der Lebenden endgültig in die Welt der Gespenster hinübergetreten.
    Ich war in der Lage, das Monstrum zu vernichten, das die Welt verändert hatte, das die Fäulnis des zwanzigsten Jahrhunderts verbreitet hatte. Ich bin mir bewusst, welchen Widerspruch ich gelebt habe. Jahrelang hatte ich mir eingebildet, Dracula an den Punkt bringen zu können, wo er wieder auf der Weltbühne erscheinen würde, aber mir war immer klar, dass ich ihn am Ende
töten würde, um diese große Rückkehr zu verhindern. Ich bin eine Frau. Ich darf meine Meinung ändern, darf zwei Dinge zugleich wollen, die einander widersprechen. Ich weiß, ihr versteht mich, meine Schwestern.
    Ich leistete die Vorarbeit schon lange vorher. Ich ließ die Waffe durch mein warmblütiges Werkzeug in den Palast schaffen und bereitete alles vor, damit ihm die Schuld in die Schuhe geschoben wurde. Ich benutzte Draculas eigenes Gold, um das Silberskalpell des Jack the Ripper zu erwerben - die Waffe, die Art und die alte Königin getötet hatte und die das Symbol der Revolution gegen Dracula war, in der du, Katie, dich hervorgetan hattest. Ein vampirischer Safeknacker unserer Tage stahl es für mich, ein feiner viktorianischer Schurke, und ließ es durch den Amerikaner hierherschmuggeln, der sich bald für den Mord an Graf Dracula verantworten muss. Er braucht einem gar nicht leidzutun. Er ist ein überzeugter und skrupelloser Vampirmörder und schlecht bis ins Mark, wenn auch gelegentlich ganz amüsant.
    Ich hatte das Skalpell monatelang. Ich trug Charles’ Erinnerung daran in mir, wie er es gehalten hatte, und nun hielt ich es selbst. Ich zog Handschuhe über und spielte damit, genoss das Prickeln des Silbers durch die Baumwolle. Einmal berührte ich mit seiner Spitze meine Zunge und versetzte mir einen solchen Schock damit, dass ich ohnmächtig wurde. Es ist ein Jammer, dass ich es nicht mehr habe. Ich verbinde so viel damit. Ich freue mich, dass ich ihm noch eine weitere Bedeutung verleihen konnte.
    Vielleicht habe ich darauf gewartet, dass Charles starb.
    Vielleicht habe ich auf Zuschauer gewartet.
    Vielleicht habe ich darauf gewartet, dass mich jemand von meinem Plan abbringt.
    Diese Geschichte ist nicht allein mein Verdienst. Ich gebe zu, dass Prinzessin Asa sich als eine große persönliche Herausforderung erwies. Ich musste einsehen, dass ich mich verrechnet hatte
und dass sie vorhatte, mich nach der Heirat aus diesem Haushalt zu verdrängen. Sie war fuchsteufelswild, weil Dracula nicht aus seiner Gruft kommen wollte, und gelangte sogar zu dem Verdacht, dass ein Betrug im Gange war. Ihr fiel die Angewohnheit des Grafen ein, auf dem Schlachtfeld mit diversen Doppelgängern für Verwirrung zu sorgen - du erinnerst dich doch an den ungarischen Schauspieler, der im ersten Krieg umgekommen ist, Katie? -, und fragte sich, ob ich nicht versuchte, ihr einen Überlebenden von damals unterzujubeln.
    Wäre ich eine Mörderin aus Leidenschaft und nicht aus Vernunftgründen, hätte ich ihr wohl die Kehle durchgeschnitten und sie ausbluten lassen. Wie sich herausgestellt hat, wäre das vielleicht eine Gnade
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