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Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks

Titel: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks
Autoren: Rebecca Skloot
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sehr unter der Hitze zu leiden. Crazy Joe wurde er genannt, weil er ungeheuer verliebt in Henrietta war und alles tat, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Denn mit ihrem hübschen Lächeln und den walnussbraunen Augen war sie das schönste Mädchen in Lacks Town.
    Als Crazy Joe sich wegen Henrietta zum ersten Mal fast das Leben genommen hätte, war er ihr vorher – mitten im Winter – nachgelaufen, als sie sich auf dem Heimweg von der Schule befand. Er bettelte um eine Verabredung und sagte: »Hennie, na los … gib mir doch wenigstens eine Chance.« Als sie nur lachte, lief Crazy Joe davon, sprang geradewegs durch das Eis eines beinahe zugefrorenen Teiches und weigerte sich herauszukommen, bis sie sich einverstanden erklärte, mit ihm auszugehen.
    Alle Vettern hänselten Joe und sagten: »Das Eiswasser hat ihn vielleicht ein wenig abgekühlt, aber er ist so heiß auf sie, dass es fast angefangen hat zu kochen!« Henriettas Cousine Sadie, die Schwester von Crazy Joe, schrie ihn an: »Mann, du bist so verknallt in das Mädel, und dann willste für se sterben? Das is nich richtig.«

    Was sich im Einzelnen zwischen Henrietta und Crazy Joe abspielte, wusste niemand genau; bekannt war nur, dass es zu einigen Verabredungen und ein paar Küssen kam. Henrietta und Day aber schliefen in ein und demselben Zimmer, seit das Mädchen vier Jahre alt war, und so wunderte sich über das Nächste, was geschah, niemand: Sie bekamen gemeinsame Kinder. Ihr Sohn Lawrence wurde wenige Monate nach Henriettas vierzehntem Geburtstag geboren; vier Jahre später folgte seine Schwester Lucile Elsie Pleasant. Beide kamen wie früher schon ihr Vater, ihre Großmutter und ihr Großvater auf dem Fußboden des Home-House zur Welt.
    Elsies Zustand wurde erst Jahre später mit Wörtern wie Epilepsie , geistige Behinderung oder Neurosyphilis beschrieben. Für die Leute in Lacks Town war sie bloß ein wenig einfach gestrickt. Sie kam so schnell zur Welt, dass Day noch nicht einmal mit der Hebamme zurück war. Elsie schoss geradezu heraus und fiel mit dem Kopf auf den Fußboden. Deshalb habe sie den Geist eines Säuglings behalten, sagen alle.
    Die alten, staubigen Registerbücher aus Henriettas Kirche enthielten die Namen vieler Frauen, die man aus der Gemeinde ausgestoßen hatte, weil sie ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hatten. Henrietta blieb das aus irgendeinem Grund erspart, obwohl in Lacks Town gemunkelt wurde, Crazy Joe könnte der Vater eines ihrer Kinder sein.
    Als dieser herausfand, dass Henrietta demnächst Day heiraten würde, stieß er sich ein altes, stumpfes Taschenmesser in die Brust. Sein Vater fand ihn betrunken im Garten liegend, das Hemd von Blut getränkt. Er bemühte sich, die Blutung zum Stillstand zu bringen, aber Joe wehrte sich mit Schlägen und Fausthieben, was dazu führte, dass er nur noch stärker blutete. Schließlich schob Joes Vater ihn mit Gewalt ins Auto, fesselte ihn an die Tür und fuhr mit ihm zum Arzt. Als Joe bandagiert nach Hause kam, sagte Sadie immer wieder: »Und
das alles nur, damit Hennie diesen Day nicht heiratet?« Aber Crazy Joe war nicht der Einzige, der die Eheschließung verhindern wollte.
    Henriettas Schwester Gladys erklärte immer, Henrietta könne eine bessere Partie machen. Wenn die Angehörigen später über Henrietta, Day und ihr früheres Leben in Clover sprachen, klang es meist so idyllisch wie in einem Märchen. Bei Gladys war es anders. Niemand wusste, warum sie so viel gegen diese Ehe hatte. Manche Leute meinten, sie sei einfach nur neidisch, weil Henrietta hübscher war. Gladys selbst jedoch behauptete steif und fest, Day würde keinen guten Ehemann abgeben. Henrietta und Day heirateten ganz allein am 10. April 1941 im Haus ihres Predigers. Sie war 20, er 25 Jahre alt. In die Flitterwochen fuhren sie nicht, denn es gab viel Arbeit und sie hatten kein Geld für eine Reise. Die Vereinigten Staaten befanden sich in diesem Winter im Krieg, und die Tabakkonzerne lieferten den Soldaten kostenlos Zigaretten, deshalb herrschte Hochkonjunktur auf dem Markt. Doch während es den großen Farmen gut ging, hatten die Kleinen arg zu kämpfen. Henrietta und Day konnten sich glücklich schätzen, wenn sie jedes Jahr so viel Tabak verkauften, dass die Familie genug zu essen hatte und die nächste Ernte ausgebracht werden konnte.
    Also griff Day gleich nach der Hochzeit wieder zu den abgegriffenen Enden seines alten Holzpfluges. Hinter ihm schob Henrietta eine selbst gebaute Schubkarre vor
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