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Die Unsterblichen

Die Unsterblichen

Titel: Die Unsterblichen
Autoren: Alyson Noël
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Schuld. So ist es einfach gelaufen. So hat es einfach sein sollen.«
    Ich würge ein Aufschluchzen hinunter und wünsche mir, ich könnte das glauben, aber ich kann es nicht. Ich weiß es besser. Ich kenne die Wahrheit.
    »Wir alle wissen das und akzeptieren das. Also wird's jetzt Zeit, dass du es auch weißt und akzeptierst. Anscheinend war deine Zeit einfach noch nicht gekommen.«
    Meine Zeit war gekommen. Nur Damen hat gemogelt, und ich habe mitgemacht.
    Ich schlucke schwer und starre den Fernseher an. Oprah ist vorbei, und Dr. Phil hat ihren Platz eingenommen - ein glänzender Glatzkopf und ein sehr großer Mund, der nie aufhört, sich zu bewegen.
    »Weißt du noch, als ich so durchsichtig war? Das war, weil ich im Begriff war, überzutreten. Jeden Tag bin ich näher und näher ans andere Ende der Brücke rangeschlichen. Aber gerade, als ich beschlossen hatte, ganz rüberzugehen, na ja, da schien es, als würdest du mich am allermeisten brauchen. Und ich konnte es einfach nicht aushalten, dich zurückzulassen - ich kann's immer noch nicht aushalten«, sagt Riley.
    Doch obwohl ich wirklich möchte, dass sie bleibt - ich habe ihr doch schon ein Leben gestohlen, ich werde ihr nicht noch das Leben nach dem Tod stehlen. »Riley, es ist Zeit, dass du gehst«, flüstere ich so leise, dass ein Teil von mir hofft, sie hat es gar nicht gehört. Aber ich weiß, dass es das Richtige ist, also sage ich es noch einmal, diesmal lauter. Resonanz schwingt in den Worten mit, Überzeugung: »Ich glaube, du solltest gehen«, wiederhole ich und traue meinen Ohren kaum.
    Sie erhebt sich vom Sofa. Ihre Augen sind groß und traurig, ihre Wangen glänzen vor kristallklaren Tränen.
    Und ich schlucke krampfhaft, als ich sage: »Du hast keine Ahnung, wie sehr du mir geholfen hast. Ich weiß nicht, was ich ohne dich gemacht hätte. Du bist der einzige Grund, warum ich jeden Tag aufgestanden bin und einen Fuß vor den anderen gesetzt habe. Aber jetzt geht's mir besser, und es wird Zeit, dass du ...«Ich stocke und würge an meinen eigenen Worten; ich kann einfach nicht weitersprechen.
    »Mom hat gesagt, dass du mich irgendwann zurückschicken wirst.« Riley lächelt.
    Ich schaue sie an und überlege, was das heißt.
    »Sie hat gesagt: Eines Tages wird deine Schwester bestimmt endlich erwachsen und tut das Richtige.«
    Und im selben Augenblick, in dem sie das sagt, platzen wir beide laut heraus und lachen los. Über die Absurdität dieser Situation. Über den Hang unserer Mutter zu sagen: »Eines Tages wirst du bestimmt endlich erwachsen und ...« Wir lachen, um die Spannung etwas zu lösen und den Abschiedsschmerz zu lindern. Und weil es sich verdammt schön anfühlt zu lachen.
    Als das Gelächter verklingt, sehe ich sie an und frage: »Du kommst doch trotzdem mal vorbei und sagst Hallo, nicht wahr?«
    Sie schüttelt den Kopf und schaut weg. »Ich glaube nicht, dass du mich dann noch sehen kannst, denn Mom und Dad kannst du ja auch nicht sehen.«
    »Was ist mit dem Sommerland? Kann ich dich da sehen?«, erkundige ich mich und denke bei mir, ich kann ja noch mal zu Ava gehen, kann mir zeigen lassen, wie man den Schutzschild wieder beseitigt, aber nur, um Riley im Sommerland zu besuchen, für nichts sonst.
    »Ich weiß es nicht genau. Aber ich tue mein Bestes, dir ein Zeichen zu geben, irgendwas, damit du weißt, dass ich okay bin, irgendwas, das eindeutig von mir kommt.«
    »Was denn?«, frage ich und gerate in Panik, als ich sehe, dass sie bereits verblasst. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell geht. »Und woran werde ich es erkennen? Wie kann ich sicher sein, dass es von dir kommt?«
    »Du wirst es wissen, verlass dich auf mich.« Sie lächelt und winkt zum Abschied, als sie verschwindet.
     

SECHSUNDDREISSIG
    Sobald Riley verschwunden ist, breche ich weinend zusammen. Ich weiß, dass ich das Richtige getan habe, aber trotzdem wünsche ich mir, es würde nicht so verdammt wehtun. So verharre ich eine Weile, den Körper zu einem festen kleinen Knäuel zusammengerollt. Und ich denke an alles, was sie über den Unfall gesagt hat, und darüber, dass es gar nicht wirklich meine Schuld ist. Obwohl ich mir wünsche, ich könnte das glauben, weiß ich doch, dass es nicht wahr ist. Vier Leben sind an jenem Tag beendet worden - und alles meinetwegen.
    Alles wegen eines blöden, hellblauen Sweatshirts vom Cheerleading Camp.
    »Ich besorg dir ein neues«, sagte mein Dad und schaute in den Rückspiegel. Sein Blick fand meinen, zwei
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