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Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Die Unsterblichen: Roman (German Edition)

Titel: Die Unsterblichen: Roman (German Edition)
Autoren: Ketil Bjørnstad
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wollte mit Mildred Låtefoss keinen Wein trinken. Er hatte für sie keinen Platz in seinem Leben. Hatte das nie gehabt. Und es erschreckte ihn, daß sie plötzlich wieder da war, ihn mit einem Verdienstorden und einer Scheidung an sich binden wollte, egal wie taktvoll und selbstlos sie auftrat. Dieser Gedanke erzürnte ihn noch mehr. Sie hatte einen Plan. Sie mußte gewußt haben, sowohl intuitiv wie aus Erfahrung, daß er nicht so ohne weiteres für Annäherungen empfänglich war. Aber nun hatte sie ihn in ihr Netz verstrickt, und dieser idiotische Einfall mit der Auszeichnung war sicher von Anfang an nur ihre Idee, und dann hatte sie die ahnungslosen Kollegen auf ihre Seite gezogen.
    »Wer von euch geht?« sagte er plötzlich, fast wütend auf sich, weil er das wissen wollte.
    »Ich natürlich«, sagte sie. Als sei es völlig klar, daß kein Mann von Mildred Låtefoss weggeht. Ihr Blick war hart und intensiv. Sie betonte eine Wahrheit. »Die Kinder sind aus dem Haus, und Kurt Ove und ich, wir sind fertig miteinander. Das versteht jeder, der uns näher kennt.«
    »Und ist er verzweifelt?« fragte Thomas Brenner leise.
    Sie nickte und öffnete die Tür zum Wartezimmer, um weitere Kommentare zu vermeiden. »Ja, er ist verzweifelt.«
    Er ließ es dabei bewenden. Kurt Ove, dieser nette und immer so wohlmeinende Jasager von einem Mann, einer der führenden Krebsforscher des Landes, was sollte aus ihm werden? Sein Unwohlsein verstärkte sich. Thomas Brenner konnte verstehen, daß sich jüngere Menschen trennten, aber wenn man bald sechzig war? Warum ist ihnen das nicht früher eingefallen? Sind sie nur der Kinder wegen zusammengeblieben? Wirklich? Wie war in diesemFall die Stimmung am Abend, wenn die Kinder im Bett waren? Gab es keine Gemeinsamkeit? Saßen sie dann nur da, trommelten mit den Fingern, lasen jeder in seinem Buch und tranken Rotwein, um die Spannung zu verringern? Wenn eine solche Wohlstandsfamilie wie Mildred und Kurt Ove es nicht schaffte, zusammenzubleiben, wer dann?
    Thomas Brenner schauderte es bei dem Gedanken, dasselbe könnte ihm widerfahren, daß Elisabeth ihm eines Tages eröffnen würde, ihrer Wege gehen zu wollen, oder umgekehrt, ihn aus dem Haus werfen würde, denn es war schließlich das Haus der Dahls. Er würde damit nicht zurechtkommen. Sich provisorisch eine Wohnung in einem Häuserblock mieten, mit Elisabeth telefonieren, die Töchter im Restaurant treffen, ihnen etwas zu erklären versuchen, was nicht zu erklären war. Das durfte nie passieren.
    Er stand mit seiner alten Schulfreundin in der Tür. Für ihn war das Sprechzimmer immer so etwas wie ein sicherer Ort, an dem nichts geschehen konnte.
    Hier drinnen war nichts gefährlich, weil man darüber reden konnte. In diesem Zimmer würde buchstäblich niemand sterben. Einige würden sehr ernste Diagnosen bekommen, aber hier drinnen ließ sich alles ordnen, jedenfalls vorläufig, solange er hinter dem Schreibtisch saß, den weißen Arztkittel anhatte mit Blutdruckmesser und Stetoskop in Reichweite. Er war ja wie ein Psychologe, dachte er oft, wenn ihm die Fachärzte Informationen schickten, MR -Resultate, Biopsien oder Röntgenbilder. Die medizinische Wissenschaft war zu kompliziert geworden, um immer auf dem neuesten Stand zu sein. Seine wichtigste Aufgabe war es, Autorität zu zeigen, so zu tun, als wüßte er Bescheid über das, was er sagte, über die Vielzahl von Medikamenten und Behandlungsmethoden, um dann mitfühlend und vertrauenerweckend über den Spezialisten zu reden, mit dem der Patient bald in engen Kontakt kommen würde, damit der Patient das Gefühl von Hoffnung hatte. Er wollte noch eine abschließende Bemerkung machen, spürte aber die Blicke von allen, die im Wartezimmer saßen und ungeduldig wurden.
    »Wir bleiben in Verbindung«, sagte Mildred Låtefoss vielsagend.
    »Natürlich«, sagte Thomas Brenner und rief eine alte, gebeugte Frau herein, die ihren Nerz bereits angezogen hatte, verfroren wie sie sicher war. Er konnte ihren langsamen Blutkreislauf förmlich sehen unter der totenblassen Haut.
    Als er eine gute Stunde später die Praxis schloß, rief er Elisabeth an. Allein ihre Stimme zu hören war eine Erleichterung. Das Herz schlug schon nach dem ersten Satz wieder im Sinusryhthmus.
    »Du klingst erschöpft«, sagte sie.
    »Die Verlegung erfolgt morgen. Um zehn Uhr. Ich muß sie natürlich begleiten.«
    »Ich komme auch mit«, sagte sie. »Obwohl, es geht nicht. Ich muß Mama zum Friseur begleiten.«
    Sie sagte
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