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Die unsterbliche Braut

Die unsterbliche Braut

Titel: Die unsterbliche Braut
Autoren: Aimée Carter
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ihr Zorn und die Bitterkeit blieben.
    „Kate“, erwiderte Calliope und spie den Namen aus wie Gift. „Ihr Name ist Kate. Sie ist Dianas Tochter.“
    Ingrids Augen wurden groß. „Und Persephones Schwester?“
    Calliope nickte, während sich hinter Ingrid ein seltsamer Nebel in der Ferne bildete. Er schien nach ihr zu rufen, sie zu sich zu locken, doch sie widerstand der Versuchung, sich von Ingrid abzuwenden und ihm zu folgen. Solange sie ihre Strafe hier verbüßte, indem sie Zeit mit jedem der Mädchen verbrachte, das sie umgebracht hatte, konnte sie nicht gehen, ohne dass Henry es sofort erfuhr. Wenn sie sich den Befehlen des Rats bewusst widersetzte, würde sie endgültig verbannt werden, und jemand anders würde ihren Platz im Rat einnehmen.
    Sie wusste genau, wer dieser Jemand sein würde, und schwor sich, dass Kate niemals auch nur in die Nähe ihres Throns geraten würde, solange sie selbst noch eine Göttin war.
    Nachdenklich betrachtete Calliope den Nebel. „Bist du schon mal dahinten gewesen?“
    „Wo?“, fragte Ingrid. „Bei den Bäumen? Ein paarmal, aber ich mag die Wiese lieber. Wusstest du, dass die Blütenblätter wie Zuckerwatte schmecken? Probier doch mal.“
    „Ich esse keine Süßigkeiten“, gab Calliope zurück, immer noch fasziniert von dem Nebel. So etwas hatte sie in ihrer Zeit in der Unterwelt nie zuvor gesehen, und irgendetwas musste es zu bedeuten haben. Vielleicht war das Henrys Art, ihr mitzuteilen, dass sie zum nächsten Mädchen weiterziehen konnte. Vielleicht hatte er endlich kapiert, wie anstrengend Ingrid war.
    „Wie kann man denn keine Süßigkeiten essen?“ Ingrid schienzwischen Unglauben und Fassungslosigkeit zu schwanken. „Jeder isst Süßigkeiten.“
    „Ich bin nicht jeder“, erwiderte Calliope knapp. „Warte hier.“
    „Damit du abhauen kannst? Wohl kaum“, widersprach Ingrid. „Ich muss dir vergeben, bevor du gehen darfst, schon vergessen?“
    Calliope knirschte mit den Zähnen. Natürlich hatte sie es nicht vergessen, aber ganz ehrlich – Ingrid würde ihr niemals verzeihen. Selbst wenn sie es tat, wagte Calliope zu bezweifeln, dass jedes Mädchen, das sie getötet hatte, dasselbe tun würde. Doch so lautete Kates Urteil, was bedeutete, dass sie wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit in der Unterwelt festsaß. Das war länger, als Calliope zu warten bereit war. „Wenn du nicht willst, dass ich deine Füße am Boden festwachsen lasse, bleibst du hier.“
    „So was kannst du?“
    Calliope machte sich nicht die Mühe, darauf zu antworten. Stattdessen marschierte sie auf diesen faszinierenden Nebel zu, weg von Ingrid, die wenigstens so viel Grips besaß, ihr nicht zu folgen. Je weiter sie sich von Ingrid entfernte, desto mehr verblasste die Wiese, bis Calliope von Felsen umgeben war – das wahre Erscheinungsbild der Unterwelt, wenn keine tote Seele in der Nähe war, um es zu beeinflussen.
    Von Nahem betrachtet war der Nebel gar kein richtiger Nebel, wie Calliope erkannte. Vielmehr schien die Luft zu schimmern – Tausende zarte Lichtfinger, die nach ihr zu greifen schienen. Calliope streckte die Hand danach aus, und in der Sekunde, als ihre Finger das seltsame Glühen berührten, wusste sie, warum es sie so magisch angezogen hatte. Endlich, nach Jahrzehnten des Wartens, war er erwacht.
    Calliope lächelte, und eine Woge der Macht durchströmte sie. Eine Macht, die so alt war, dass es keinen Namen dafür gab. Ingrid verblasste zu nichts als einer undeutlichen Erinnerung, als Calliope vortrat und der Zorn, den sie schon so lange in sich nährte, sich endlich zu voller Kraft entfaltete.
    „Hallo, Vater.“

1. KAPITEL
    RÜCKKEHR NACH EDEN
    Als ich noch in der Schule war, haben meine Lehrer die Klasse jeden Herbst einen dieser furchtbaren Aufsätze schreiben lassen: „Was ich letzten Sommer gemacht habe“. Das volle Programm, mit Vortrag, Fotos und lustigen Anekdoten – alles, um einen Raum voll gelangweilter Schüler dazu zu bringen, etwas Interesse zu zeigen.
    Jedes Jahr saß ich da und hörte zu, wenn meine Klassenkameraden an der New Yorker Grundschule von ihren Ferien in den Hamptons oder in Florida oder in Europa berichteten – mit ihren reichen Eltern oder Au-pair-Mädchen oder, als wir älter wurden, ihren Freunden und Freundinnen. Als wir schließlich in der Highschool waren, hatte ich bis zum Erbrechen immer dieselben glamourösen Geschichten gehört: Eskapaden in Paris mit Supermodels, nächtelange Partys auf den Bahamas mit Rockstars und so
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