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Die unsterbliche Braut

Die unsterbliche Braut

Titel: Die unsterbliche Braut
Autoren: Aimée Carter
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zur Seite, doch es war offensichtlich, dass Henry in dieser Schlacht der General war.
    „Es wird nicht funktionieren“, erklang eine mädchenhafte Stimme, bei der mein Innerstes zu Eis gefror. Hinter Henry stand Calliope, ein amüsiertes Funkeln in den Augen. „Er ist bereits wach.“
    „Warum?“, fragte Henry, und seine Stimme klang gepresst. „Bist du wirklich so wahnsinnig, dass du das für die Lösung hältst?“
    Doch was auch immer er damit meinte, ich bekam keine Gelegenheit, es herauszufinden. Henry und seine Brüder verschwanden, und ich öffnete die Augen und sog gierig die kühle feuchte Luft der Höhle ein, in der der Palast sich befand. Irgendwie war ich auf Händen und Knien gelandet, und James kniete neben mir, die Stirn gerunzelt, während er mir über den Rücken strich.
    „Geht’s dir gut?“, fragte er.
    „Was ist passiert?“ In der Ferne erblickte ich zwei Gestalten, die auf uns zukamen, und verspannte mich. Es konnten nicht Henry und Calliope sein. Er würde sie niemals in meine Nähe lassen.
    „Nichts“, antwortete James unsicher. „Hast du dir den Kopf gestoßen?“
    Ich war zu beschäftigt damit, die zwei Silhouetten zu beobachten, um zu reagieren. James schien nicht beunruhigt, also konnte es nicht Calliope sein – aber hatte er die Höhle mit dem Tor gesehen? Wusste er, dass sie da draußen war und gegen Henry und seine Brüder kämpfte?
    Endlich waren die zwei Gestalten nah genug, um sie zu erkennen. Erleichterung erfasste mich. „Mom“, rief ich und stand mit zittrigen Knien auf. James stützte mich, und ich schaffte ein paar Schritte auf sie zu.
    Meine Mutter, die jahrelang gegen den Krebs gekämpft hatte, der sie schließlich getötet hatte, strahlte vor Schönheit, als sie mir entgegentrat. Noch immer hatte ich mich nicht an den Gedanken gewöhnt, dass sie eine Göttin war und diese Tatsache mir gegenüber achtzehn Jahre lang nicht erwähnt hatte. Doch in diesem Moment war alles, wonach ich mich sehnte, dieses klaffende Loch in meiner Brust zu schließen, das in den sechs Monaten, die ich fort gewesen war, immer größer geworden war.
    „Hallo, Liebes“, begrüßte sie mich und schloss mich in die Arme. Tief sog ich ihren Duft ein – Äpfel und Freesien – und erwiderte ihre Umarmung mit Nachdruck. Ich hatte sie mehr vermisst, als ich je würde in Worte fassen können, und wenn es nach mir ging, würde mich niemand dazu bringen, auch nur für kurze Zeit von ihrer Seite zu weichen.
    „Was war das denn gerade?“, erklang eine zweite Stimme. Ava. Meine beste Freundin und der Grund, warum ich Henry überhaupt getroffen hatte. Noch eine, die mich bezüglich ihrer Sterblichkeit belogen hatte. „Kate hat ausgesehen, als hätte sie einen Anfall.“
    „Kein Grund zur Besorgnis. Es ist nichts, was sich nicht mit ein wenig Übung kontrollieren ließe“, erwiderte meine Mutter und berührte meine Wange. „Wie ich sehe, hast du ordentlich Sonne abgekriegt. War es schön in Griechenland?“
    Sie löste sich von mir, und Ava schloss mich in die Arme. „Dusiehst hinreißend aus! Wie braun du bist – ich bin so neidisch. Hast du dir die Haare gefärbt? Sie sehen heller aus.“
    Suchend blickte ich über ihre Schulter hinweg, doch der Weg zu dem Obsidian-Palast war leer. Henry war doch nicht zu meiner Begrüßung gekommen. Mir wurde das Herz schwer, und ich mied James’ Blick. Ich wollte sein selbstgefälliges Grinsen nicht sehen. „Was meinst du damit: ‚Mit etwas Übung kann man es kontrollieren‘?“
    „Deine Gabe natürlich.“ Das Lächeln auf dem Gesicht meiner Mutter verblasste. „Bitte sag mir, dass Henry dir das letzten Winter erklärt hat.“
    Ich knirschte mit den Zähnen. „Wie wär’s, wenn ab jetzt alle davon ausgehen, dass Henry, wenn er mir irgendetwas eigentlich erklärt haben sollte, es nicht getan hat? Wäre das machbar?“
    „Hat wahrscheinlich gedacht, du überlebst nicht lange genug, dass es eine Rolle spielt“, murmelte James.
    Ava ignorierte ihn und hakte sich bei mir unter. „Du bist heute aber mies drauf.“
    „Wärst du auch, wenn du durch ein Loch im Fußboden gefallen und in der Hölle gelandet wärst“, gab ich zurück.
    Meine Mutter ergriff meinen anderen Arm, und James trottete hinter uns her, als wir auf den Palast zugingen. „Lass Henry nicht hören, dass du diesen Ort Hölle nennst“, warnte sie mich. „Da ist er ziemlich empfindlich. Dies ist die Unterwelt, nicht die Hölle. Es ist der Ort …“
    „… an den die Leute
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