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Die unsterbliche Braut

Die unsterbliche Braut

Titel: Die unsterbliche Braut
Autoren: Aimée Carter
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beinahe den Arm aus. „Wie uns zum Beispiel, du Dummerchen. Im Moment ist der gesamte Rat hier, um bei deiner Krönung dabei zu sein.“
    „Alle?“ Mir wurde der Mund trocken. „Ich dachte, es wären bloß Henry und ich. Und ihr.“
    „Natürlich ist der gesamte Rat hier. Henry krönt heute Abend eine neue Königin der Unterwelt“, erinnerte mich meine Mutter, während sie mich sanft einen anderen Gang entlangschob. „Das kommt nicht besonders oft vor.“
    Sie schien den Weg genau zu kennen, und ich verzagte innerlich. Sie musste hier viel Zeit mit Persephone verbracht haben – schließlich war sie ihre Tochter, meine Halbschwester. Die Vertrautheit meiner Mutter mit diesem Palast erinnerte mich erneut daran, wie tief Persephone in Henrys Leben verwurzelt gewesen war. Wie sehr die Erinnerung an sie noch immer lebendig war.
    „Dein Schlafzimmer“, sagte Ava und deutete auf eine kunstvoll verzierte Tür am Ende des Ganges. Gerade wollte ich fragen, woher sie das wusste, doch als wir näher kamen und ich die fein ausgearbeiteten Schnitzereien wiedererkannte, blieben mir die Worte im Hals stecken.
    Es war genau dieselbe Tür, die in Eden Manor zu Persephones Schlafzimmer führte. Auf der oberen Hälfte war eine wunderschöne Wiese zu sehen, und irgendwie hatte der Künstler es geschafft, den Eindruck von Sonnenschein in das Holz einzuarbeiten. Darunter lag die Unterwelt mit ihren Steinsäulen und Juwelengärten. Mit großer Anstrengung brachte ich hervor: „Glaubt ihr, es macht Henry etwas aus, wenn ich das hier ein bisschen umgestalte?“
    Ava und meine Mutter tauschten einen verwirrten Blick, doch James, der bis dahin geschwiegen hatte, trat vor. Aber ich wollte sein Mitleid nicht. Oder sein Verständnis. Henry war beschäftigt, er ignorierte mich nicht, und er konnte unmöglich gewusst haben, dass sich eine einfache Tür für mich wie ein Schlag indie Magengrube anfühlen würde. Ich wollte nicht, dass er zwischen mir und seiner toten Frau wählte; ich wollte nur, dass ich in seinem jetzigen Leben wichtiger war. Vielleicht würde es eine Weile dauern, doch diese Zeit war ich bereit zu investieren, wenn Henry das auch war.
    Ich schüttelte den Kopf. Natürlich war er das. Er war es gewesen, der am Flussufer auf mich zugekommen war. Er war es, der mich während meiner Zeit in Eden beschützt hatte. Er war es, der mich von den Toten zurückgeholt hatte. Er war es, der danach so gut wie jede wache Minute an meinem Krankenbett verbracht hatte. Ich war ihm wichtig. Das war offensichtlich.
    Aber das war, bevor der Rat dir die Unsterblichkeit gewährt hat, ertönte eine leise Stimme in meinem Hinterkopf, die verdächtig nach James klang. Meine Mutter war Henrys Lieblingsschwester. Vielleicht wollte er mich nur um ihretwillen beschützen.
    Ich schob den Gedanken beiseite, wollte keinen Elefanten aus einer Mücke machen. Henry würde bald hier sein, und er konnte mich nicht den ganzen Winter über meiden. Selbst wenn er immer noch Bedenken hatte, würden wir darüber reden. Es war ja nicht so, als wäre ich nicht genauso nervös.
    „Das hier ist jetzt dein Zuhause, und du solltest tun, was du möchtest, damit du dich wohlfühlst“, setzte James an. „Wenn Henry dich wirklich liebt, wird er das verstehen.“
    „Wie kannst du so etwas sagen?“, fuhr Ava ihn entsetzt an. „Natürlich liebt er sie. Ich sollte es ja wohl wissen.“
    „Ja“, gab er knapp zurück. „Das solltest du. Wenn ihr mich jetzt entschuldigen würdet, ich hab noch zu tun.“
    Er gab mir einen kurzen Kuss auf die Wange, bevor er an Ava und meiner Mutter vorbeirauschte. Zu dritt blickten wir ihm hinterher. Ich gab mir alle Mühe, es mir nicht zu sehr zu Herzen zu nehmen, aber der Gedanke, James sechs Monate lang nicht zu sehen, nachdem ich den gesamten Sommer mit ihm verbracht hatte, war schwer zu verdauen. Wie auch immer seine Gefühle für mich aussahen, er war immer noch mein Freund.
    „Ich seh mal nach, was mit ihm los ist“, sagte meine Mutter, als James schließlich außer Sichtweite war.
    „Danke“, murmelte ich. „Als wir in Griechenland waren, hat er sich nicht so benommen.“
    Sie seufzte. „Ja, das kann ich mir vorstellen.“ Mit einer letzten Umarmung fügte sie hinzu: „Ich sehe vor der Zeremonie noch mal nach dir. Ava, bleib bei ihr, bis Henry zurück ist.“
    „Hatte ich vor“, beruhigte Ava sie, und nachdem meine Mutter James hinterhergeeilt war, drehte sich Ava mit einem verschmitzten Grinsen zu mir um. „Und,
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