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Die unsichtbare Handschrift

Die unsichtbare Handschrift

Titel: Die unsichtbare Handschrift
Autoren: Lena Johannson
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Neoprenanzüge halten ganz gut warm. Nee, da unten hast du wirklich andere Probleme.«
    »Welche zum Beispiel?«
    »Das fängt bei der schlechten Sicht an und hört bei dem Chaos auf, das dort herrscht.«
    »Kann ich mir vorstellen.« Sie nickte, konnte sich aber, um ehrlich zu sein, nicht vorstellen, wie es in dem Krater aussah.
    Ulrich erzählte: »Meine Hände sind sozusagen meine Augen. Das ist immer so, wenn du als Bautaucher im Einsatz bist.«
    »Was sind das sonst so für Einsätze?«, unterbrach sie ihn.
    »Ganz verschieden.« Ihm war anzusehen, dass er gern über seinen Beruf sprach. Er gehörte zu der Art Männer, die nicht wirklich erwachsen wurden. Sie hätte einiges verwettet, dass er früher lebende Regenwürmer verspeist oder sich mit den stärksten Jungs angelegt hatte, nur um die Mädchen zu beeindrucken. Heute war es eben sein abenteuerlicher Job, der ihm die Aufmerksamkeit der Frauen garantierte. Er betrachtete das Ganze als einen Sport, einen großen Spaß, der obendrein noch gut bezahlt wurde. »Manchmal muss ich Gegenstände aus Ruderanlagen von Schiffen entfernen, damit der Kahn wieder flott wird. Oder ich muss mit einem Metalldetektor nach versunkenen Dingen suchen. Ich war auch schon in einer Talsperre unterwegs und habe sie auf Risse untersucht und alles auf Video aufgenommen. Das sind natürlich Jobs, die Spaß machen«, erklärte er stolz.
    »Und welche Einsätze machen keinen Spaß?«
    Er zog die Nase kraus. »Wenn du eine Lüfterkerze im Klärwerk montieren oder die Faultürme kontrollieren musst, wünschst du dir schon, du hättest in der Schule besser aufgepasst und einen anderen Beruf ergreifen können.«
    Sie lachte. »Klingt nicht gerade verlockend, stimmt.« Nach einer kurzen Pause fragte sie: »Die Arbeit im Krater des Stadtarchivs ist bestimmt etwas ganz Besonderes, oder?«
    »Das kann man wohl sagen.« Er nickte, leerte sein Glas und ließ sich von einer dünnen Kellnerin, die ständig mit einem gefüllten Tablett unterwegs war, ein neues Glas hinstellen. Das Mädchen malte einen Strich auf seinen Bierdeckel und war im nächsten Moment auch schon am Nachbartisch. »Die Schwierigkeit sind die fetten Steintrümmer und spitzen Eisenteile, die überall quer durcheinanderliegen. Dazwischen und drunter klemmen Aktenschränke und Regale. Du siehst das, wie gesagt, aber nicht, sondern musst dir durch bloßes Tasten ein Bild von der Lage machen.«
    »Klingt gefährlich.«
    »Ja, der Einsatz gehört auf jeden Fall zu den riskanteren Jobs. Du musst immer damit rechnen, dass etwas instabil ist, ins Rutschen kommt und dich begräbt oder dir den Rückweg versperrt. Oder du kannst mit den Schläuchen deiner Ausrüstung oder mit der Rettungsleine hängenbleiben. Dann ist ganz fix Schicht im Schacht.«
    Vermutlich war das eine leichte Übertreibung, um vor Christa angeben zu können. Oder nicht? Völlig ungefährlich war die Arbeit mit Sicherheit wirklich nicht.
    »Wann immer uns Papier zwischen die Finger kommt, müssen wir es hochbringen, das ist die Ansage. Aber eigentlich sind wir da unten, um richtig aufzuräumen.«
    »Das heißt?«
    »Das heißt zum Beispiel, dass morgen als Erstes Halterungen an einem Trümmerstück befestigt werden, das vermutlich mehrere Tonnen wiegt. Der Kran soll den Koloss aus dem Weg hieven, weil da drunter nämlich ein Regal liegt.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause und sah sie an.
    »Und?« Sie hielt die Spannung nur schwer aus. Mit etwas Glück hatten die Taucher in dem Regal Dokumente, womöglich sogar Pergamente ausmachen können.
    »Das Regal ist noch komplett mit Akten gefüllt.« Er lehnte sich selbstzufrieden zurück, als hätte er allein das Schmuckstück des Archivs gerettet.
    »Das ist großartig!« Sie gönnte ihm den Triumph. Immerhin hatte er tatsächlich einen nicht unerheblichen Anteil an dem Erfolg. »Das bedeutet, dass wir morgen jede Menge spannender Akten unter die Dusche bekommen.«
    »Nicht so schnell!« Er hielt beide Hände vor sich, die Handflächen in Christas Richtung zeigend. »Wahrscheinlich sind wir morgen schon so weit, die ersten Akten hochholen zu können, erst muss aber sichergestellt sein, dass das Trümmerstück komplett frei liegt und aus der Grube gehoben werden kann, ohne dass alles ins Rutschen gerät. Sonst richten wir am Ende nur mehr Schaden an, als dass die Aktion was nützt.«
    »Klar.«
    Ein Kellner brachte das Essen.
    Christa schob sich einen Bissen in den Mund und murmelte: »So ein Mist, dass ich nur eine Woche
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