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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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gehabt, als ich dir im
     vergangenen Herbst davon erzählte. Ich habe sogar um deine Zustimmung gebeten und sie bekommen. Es scheint,dass du hin und wieder nur so tust, als hörtest du mir zu. Gewiss ist es besser und auch in deinem Sinn, wenn ich in Zukunft
     meine Entscheidungen allein treffe. So wie ich es früher gewohnt war.»
    Plingplingpling. Wie hypnotisiert starrten die drei Herrmanns’ auf die Stutzuhr auf der Kommode zwischen den beiden vorderen
     Fenstern, deren zartes Glöckchen die volle Stunde in die gespannte Stille schlug.
    «Du meine Güte», rief Claes, als das letzte Pling erklang, und sprang auf, «schon zehn. Ich sollte längst fort sein. Blohm»,
     brüllte er, «meinen Reitmantel!», und eilte mit langen Schritten zur Tür. Er hatte die Klinke schon heruntergedrückt, als
     er sich daran erinnerte, dass eine Ehefrau, besonders eine (meistens) heißgeliebte Ehefrau, kein Kontorlehrling war, und drehte
     sich noch einmal um. «Ich war ein wenig, nun ja, zu heftig. Es tut mir Leid, Anne. Und die Rechnung», schon klang seine Stimme
     wieder ungehalten, «geht natürlich über das Kontor.»
    Damit lief er die Treppe hinunter, Anne und Christian hörten seine Schritte in der Diele und im langen gefliesten Gang zu
     den Ställen im Hof verklingen.
    Brooks, der Stallmeister und Kutscher, wartete schon und führte den friedlichen Fuchs, den sein Herr am liebsten ritt, wenn
     er in der Stadt unterwegs war, im Hof herum. Claes warf den weiten Mantel, den Blohm, der wegen des Lärms aus dem Salon verwirrte
     alte Diener, ihm in der Diele gereicht hatte, um die Schultern und schob den Fuß in den Steigbügel.
    «Verdammt», murmelte er plötzlich, warf dem Stallmeister Mantel und Dreispitz zu und eilte mit langen Schritten zurück in
     das Haus und die Treppe hinauf. Anne stand noch genauso im Salon, wie er sie verlassenhatte. Nur ihre Augen brannten nun nicht mehr vor Zorn, sondern sahen müde und dunkel aus. Er verfluchte sein Temperament,
     das an der Börse, am Hafen und in den Handelskontoren so allgemein wie falsch als behäbig und unerschütterlich erlebt wurde,
     und schloss seine Frau in die Arme.
    «Ich bin ein Idiot», murmelte er an ihrem Ohr. «Die Bäume werden wunderbar aussehen, ich meine, wachsen. Bestell, so viele
     du magst und wo immer du magst. Kannst du mir vergeben?»
    Es dauerte ein wenig, bis es Annes Körper gelang, gegen allen Trotz weich zu werden und zumindest der Umarmung nachzugeben.
     Sie atmete die Wärme und den vertrauten Geruch seines Körpers, den Duft von Melisse aus dem Leinen seines Hemdes und schloss
     die Augen. Sie würde jetzt nicht weinen. Jetzt nicht.
    «Natürlich», flüsterte sie, «natürlich vergebe ich dir. Wenn du mir vergibst. Ich sollte nicht so heftig sein, und das nächste
     Mal», sie hob das Kinn, damit er die kleine Träne, die nun doch ihre Wange hinunterkroch, wegküssen konnte, «das nächste Mal   …»
    Da küsste er schon ihren Mund, und das nächste Mal war egal. Jedenfalls für heute.
    Christian hatte diskret den Salon verlassen, als sein Vater heraufgestürmt kam. Er löste sein Ohr von der anderen Seite der
     Tür und schlich zufrieden lächelnd die Treppe hinab. Er mochte und achtete seine Stiefmutter, es gab Momente, in denen er
     sie verehrte. Dennoch, dachte er jetzt, vielleicht war es nicht von Vorteil, eine Frau wie Anne zu heiraten. Eine, die klug
     war, um nicht zu sagen eigensinnig, und zudem über ihr eigenes Vermögen selbst verfügte, anstatt es, wie es üblich und ohnejeden Zweifel vernünftiger war, alles ihrem Ehemann zu übertragen. Auf jeden Fall war es von Vorteil, mit der Ehe möglichst
     lange zu warten. Dieses ewige Auf und Ab von Streit und Versöhnung war doch recht aufreibend.
     
    Claes Herrmanns lenkte seinen Fuchs am Hafen entlang, und sosehr er diesen Weg liebte, heute nahm er kaum etwas von dem Gewusel
     auf den Straßen und an den Vorsetzen, dem Gedränge bei der Waage und beim Neuen Kran wahr. Auch wenn er es nicht wollte und
     für überflüssig hielt, konnte er seine Gedanken nicht von der Missstimmung in seinem Salon lösen. Anne hatte ja recht, dieser
     Winter war endlos. Die Sache mit den amerikanischen Bäumen allerdings! Nun gut, warum sollte er ihr die Freude nicht gönnen?
     Es war doch einerlei, wenn Böckmann ein paar Tage beleidigt tat. Warum war er nur so heftig geworden? Das lag gewiss an dem
     ewigen Stubenhocken. Und an der Warterei auf die Schiffe.
    Er blickte zum Himmel, blinzelte in

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