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Die Un-Heilige Schrift

Die Un-Heilige Schrift

Titel: Die Un-Heilige Schrift
Autoren: Helmuth Santler
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nur nach dem entscheiden, was Allah darin übermittelt hat. Diejenigen, die nicht nach dem handeln, was Allah offenbart hat, sind Frevler.
    Mit anderen Worten: Die vom Islam als monotheistisch anerkannte christliche Religion hat aus dessen Sicht ein großes Problem – die wahrhaftige und göttliche Offenbarung, die Jesus zuteil geworden ist, wurde leider nachträglich verfälscht. (Deckungsgleich wird die Tora kritisiert.) Jesus trifft keine Schuld – der von manchen islamischen Reformtheologen als großer Sozialreformer gewürdigte und besonders von den Sufis, den islamischen Mystikern, als Prophet der Liebe hoch geschätzte Messias war nur außerstande, die Verfälschung der von ihm vermittelten Botschaft zu verhindern.
    Muslime gehen deshalb davon aus, dass nur das, was im Koran steht, die Glaubenswahrheit über Jesus, Sohn der Maria, wiedergibt.

    Aufsteigende Selige. Detail des Freskos in der Sixtinischen Kapelle von Michelangelo Buonarroti, 1535–1541
    Auf lange Sicht besteht aber eine begründete Hoffnung, dass die drei großen monotheistischen Weltreligionen ihre Differenzen überwinden können. Laut der Sunna, dem Buch, das die Lehren des Propheten Mohammed wiedergibt, haben die Endzeitvorstellungen von Christen und Muslimen weit mehr Gemeinsames als Trennendes. Mohammed prophezeit schreckliche Zeiten, Kriege und Dürren. Dann kehrt der Mahdi zurück (der Messias; so wird im Koran nur Jesus bezeichnet) und regiert in einer Periode absoluter Glückseligkeit. Die drei Buchreligionen verschmelzen miteinander (weil, wie manche argumentieren, Christen und Juden erkennen, dass der Islam doch recht hat). Kurz vor dem Weltende erscheint der „Antichrist“ (der „falsche Messias“, Masih al-Dajjal). Jesus kann ihn aber besiegen und stirbt eine Zeit danach eines natürlichen Todes. Beim Weltgericht sitzet er zur Rechten Gottes , um diesem beim Urteilsspruch beizustehen, wie er es nach islamischer und christlicher Vorstellung seit zwei Jahrtausenden tut.
    Das letzte Wort hat – in der Reihenfolge des Auftretens – allerdings allein JHWH-Gott-Allah.

Auslegungssachen
    Jesus hat gelebt und gelehrt; was er gelehrt habe, ist uns überliefert worden, allerdings ist uns leider unbekannt, wer es überliefert hat und welche Teile von Jesu Lehre die Überlieferung enthält und welche nicht. Einiges von dem, was die entstehende Großkirche in der Zeit der Kanonisierung ausschloss, konnte wiedergefunden werden, vieles andere ist für immer verloren oder (noch) verborgen. Kaum abschätzbar ist auch, inwieweit Jahrzehnte rein mündlicher Tradition und Jahrhunderte der Abschriften und (falschen) Übersetzungen das „Wort Gottes“ verändert haben bzw. inwieweit die kanonisierten Texte von den kirchlichen Endredaktionen beeinflusst worden sind.
    Jesu Lehre ist nicht deren Überlieferung, nicht was davon niedergeschrieben wurde und schon gar nicht, wie die Schrift ausgelegt wurde
    Im Versuch, Verbindlichkeit und Einheitlichkeit zu erreichen, entstand die „Heilige Schrift“ der Christenheit; wir haben aber gesehen, dass etliche der populärsten Bilder (Weihnachtskrippe) und z. B. faktisch der gesamte Marienkult fast gar nichts mit der Bibel zu tun haben, sondern auf der Grundlage apokrypher Schriften und fantasievoller Heiligenlegenden entstanden sind.
    Besonders am Beispiel der Maria Magdalena wurde deutlich, wie wenig wiederum die Schrift mit der gelebten kirchlichen Praxis zu tun hat. Magdalena hat allen redaktionellen Marginalisierungsversuchen in den kanonischen Evangelien widerstanden und ist der Schrift nach die Königin des Neuen Testaments; was ihr ein weit über 1.000 Jahre andauerndes Schicksal als Prostituierte nicht erspart hat. Mit ihr als Symbol an der Spitze wurde und wird die gesamte weibliche Welt von der katholischen Kirche ausgegrenzt.
    Es ist eben alles nur eine Frage der Auslegung. Wer Jesus war und was er gesagt oder getan haben könnte, spielt keine große Rolle. Was in der Bibel steht, ist weitgehend unerheblich. Entscheidend ist ausschließlich, was uns glauben gemacht wird. Notfalls dogmatisch: Seit der Papst unfehlbar ist (beschlossen am 18. Juli 1870 unter Pius IX.), verkündet er „ex cathedra“ (d. h. mit höchster Lehrgewalt) dank göttlichen Beistandes „aus sich heraus unabänderliche Entscheidungen“.
    Anders gesagt: Glauben Sie es oder fühlen Sie sich nicht länger der katholischen Kirche zugehörig. Eine Option, für die sich ein steter und stets wachsender Strom an Menschen
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