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Die Un-Heilige Schrift

Die Un-Heilige Schrift

Titel: Die Un-Heilige Schrift
Autoren: Helmuth Santler
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Hinterlassenschaft nachzuspüren.
    Im Rahmen dieses Buches kann nur Zweiteres gemeint sein, zumal die Beschäftigung mit dem historischen Jesus ausgesprochen mühselig und unergiebig ist. Schriftliche Belege aus seiner Lebenszeit existieren in keiner Form; als ältester historisch haltbarer außerchristlicher Hinweis gilt eine Erwähnung im Werk des jüdischen Chronisten Flavius Josephus, der in seinem gegen Ende des 1. Jhs. verfassten Hauptwerk, einer Weltgeschichte des Judentums, auf die Hinrichtung des „Bruders des Jesus, der Christus genannt wird, mit Namen Jakobus“ hinweist.
    Die äußerst spärlichen sonstigen historischen Quellen führen Gerd Theißen in seinem Buch „Der historische Jesus“ zu der vorsichtig formulierten Schlussfolgerung:
    Die Zufälligkeit der geschichtlichen Quellen macht uns gewiss, dass wir mit einer historischen Gestalt Kontakt aufnehmen und nicht nur mit der Fantasie früherer Zeiten.
    Jesus hat also existiert – das ist schon beinahe alles, was historisch „wirklich“ mit „Sicherheit“ gesagt werden kann.
    Ganz anders sieht es aus, wenn wir uns mit nichtchristlichen Kulturen auseinandersetzen und versuchen, der Weisheit des Lehrers Jesus aus einer anderen Perspektive näher zu kommen: Hier finden sich reichhaltige Spuren, denn um die Wirkung von Jesu Lehre kam niemand herum.

Jesus und der Talmud
    Der Talmud ist nach dem Tanach das zweitwichtigste Schriftdokument des Judentums. Er entstand gegen Ende des 2. Jahrhunderts und umfasst mehr als 10.000 Seiten. Jesus kommt darin alles andere als gut weg: Er wird zumeist nicht namentlich genannt, sondern nur abwertend als „jener Mann“ bezeichnet, der ein falscher Prophet und Verführer Israels gewesen sei. Er habe Zauberei getrieben, die Weisen verspottet und nur fünf Jünger gehabt. Nach vierzigtägiger ergebnisloser Suche nach einem Entlastungszeugen sei er am Vorabend des Passahfestes erhängt worden.
Talmudische Polemik gegen Jesus
    Diese heftige Kritik muss aus der Zeit heraus verstanden werden: Der Bruch des Juden- und des Christentums hatte sich mindestens 100 Jahre vor dem Entstehen des Talmud ereignet; die Zerstörung des Tempels 70 n. Chr. markiert hierfür ein wichtiges Datum. Da der stetige Zulauf, den die Christen allen Anfeindungen zum Trotz verzeichnen konnten, diese aus der Sicht des orthodoxen Judentums häretische Sekte zu einem ernstzunehmenden Gegner machte, wurde ohne Rücksicht auf Verluste polemisiert. Die angebliche und aus nachvollziehbaren Gründen völlig unglaubwürdige Jungfrauengeburt „jenes Mannes“ war ein besonders beliebtes Ziel der jüdischen Spitzen gegen die frühe Christenheit; sie wurde nicht nur rundweg abgeleugnet, sondern als Ausrede für die in Wahrheit uneheliche Abkunft von Jesus interpretiert.
    Der in diesem Zusammenhang bereits erwähnte römische Soldat Panthera, der Maria vergewaltigt haben soll, wurde hingegen von den Juden wahrscheinlich nur aufgegriffen; jedenfalls taucht dieser Name erstmals bei Celsus auf, einem alexandrinischen Philosophen und äußerst scharfzüngigen Feind der Christen wie der Juden; im Talmud existiert er nicht. Der Name Panthera ist als Männername belegt, könnte aber auch als satirische Verballhornung des griechischen Wortes für Jungfrau aufgefasst werden: parthenos.
    Die moderne jüdische Theologie sieht Jesus überwiegend als genuinen Schriftgelehrten (Markus verwendet in seinem Evangelium des Öfteren für Jesus die Anrede „Rabbi“) und echten jüdischen Propheten an, der das Volk den Glauben an JHWH lehrte. Er gilt zwar – außer bei der Sonderform der messianischen Juden – nicht als der Messias, soll aber dennoch als herausragende jüdische Persönlichkeit vermehrt ins Judentum integriert werden.

Der manichäische Jesus
    Der Religionsstifter Mani sah sich – unter seinesgleichen eine altehrwürdige Tradition – als der Letzte der Propheten an, als jener, der am Ende der Reihe von Moses, Buddha, Zarathustra und Jesus mit dem Auftrag in die Welt gekommen ist, die Weisheit aller zu einem gemeinsamen Lehrsystem zu verbinden.

    Mitteliranischer Text in manichäischer Schrift. Digitales Turfanarchiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
    Jesus war für ihn eine Lichtgestalt, die er gerne als „Jesus der Glanz“ bezeichnete. Er schrieb ihm übermenschliche Eigenschaften zu: Jesus sei eine von vier gottnahen Wesenheiten, die nach dem Tod eines Menschen über dessen weiteres Schicksal – Reise in die Lichtwelt oder
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