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Die Un-Heilige Schrift

Die Un-Heilige Schrift

Titel: Die Un-Heilige Schrift
Autoren: Helmuth Santler
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Sichtweise darstellen, ist dabei fürs Erste zweitrangig. Worum es zentral geht, ist die uralte Diskussion um die absolut inakzeptable Rolle, die die katholische Kirche den Frauen zugesteht. Wer könnte besser geeignet sein, diesen Streit um die Wiedererlangung von vor annähernd zwei Jahrtausenden verlorenen Rechten symbolhaft anzuführen als die Gefährtin des lebenden Jesus selbst?
    Sex mit Jesus
    Das alles beantwortet die Frage natürlich noch immer nicht: Haben sie es jetzt getan oder nicht? Nun, diese Frage lässt sich selbstverständlich nicht beantworten. Jesus war ein sehr charismatischer, spiritueller Führer, der die Frauen hochschätzte und weder bei Männern noch bei Frauen körperliche Berührungsängste kannte. Es mag also zur einen oder anderen intimeren Begegnung gekommen sein, zumal guter Sex ein ausgezeichnetes Mittel ist, der Erleuchtung ein Stückchen näher zu kommen. Auch im hellenistischen Verständnis von Liebe war ja davon die Rede, dass der Mensch auf der Suche nach der abstrakten, geistigen Schönheit die Schönheit des Körpers durchaus als „Hilfsmittel“ auf dem Weg wahrnehmen soll und kann.
     
    Give Me Jesus ... Mary Magdalene. personalitydevelopmentbeyourbest.blogspot.com
    Andererseits waren Keuschheit und Askese für den sich zur Armut bekennenden wandernden Weisheitslehrer sicher wichtige Hilfsmittel einer Schulung der geistigen Disziplin, wenn auch gewiss nicht in den späteren, krankhaft übersteigerten Formen vom erfasteten Hungertod bis zur Selbstgeißelung.
    Die Frage nach dem Sexleben von Jesus polarisiert, spaltet, wühlt auf, vergrämt, füllt Bücher, Filme und Kassen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier massiv übers Ziel hinausgeschossen wird.
Die Bedeutung des Themas wird maßlos überschätzt
    Schuld an der heillos übersteigerten Bedeutung, die dieser Frage zugemessen wird, tragen neben gewieften Geschäftemachern an vorderster Stelle die Katholiken selbst. Erst durch deren starrem Beharren auf einer absurd sexualfeindlichen Haltung, derzufolge schon der bloße Gedanke daran, Jesus und MM könnten anders als auf rein geistiger Ebene miteinander verkehrt haben, einen Akt der unaussprechlichen Blasphemie darstellt, konnte dieses Thema zum ganz großen Geschäft werden; bekanntlich erblühen die überhitztesten Fantasien genau da, wo sie am heftigsten geleugnet werden.
    Das Ganze ist schlichtweg nicht so wichtig, wie es genommen wird, zumal über die zwangsläufige Folgerung der Befürworter der Mary-hatte-Sex-mit-Jesus-Frage nicht weiter diskutiert zu werden braucht: Die Existenz oder Nichtexistenz von direkten Nachfahren Jesu wird historisch wohl niemals zu belegen sein, noch viel weniger deren weiteres Schicksal, sofern es ein solches gegeben hat. Jedenfalls war Jesus nach allem, was biblisch-historisch herausgefunden werden konnte, nie verheiratet gewesen. Was in Kenntnis der strengen Ehegesetze seiner Zeit ein schwerwiegendes Indiz gegen die Existenz von Jesuskindern ist und in dem unwahrscheinlichen Fall, dass es doch welche gegeben haben sollte, deren Aufspüren wegen der Illegitimität noch um einiges unmöglicher machte.
Wie christlich kann es sein, das Maß an Nächstenliebe vom Geschlecht abhängig zu machen?
    Die Sex-Frage bewirkt vor allem eines: Sie lenkt von Jesu wirklich bedeutender Hinterlassenschaft ab – seiner Lehre. Und davon, was die christlichen Kirchen durch die schriftliche Überlieferung bzw. deren Auslegung aus dieser Lehre gemacht haben. Eine Maria Magdalena, die sich mit Jesus orgiastischen Ekstasen hingegeben hat, mag ein spektakuläres, verkaufsförderndes Bild und den Katholiken ein heftiger Dorn im Auge sein – wirklich gefährlich für die Kirche ist es nicht. Eine Maria Magdalena, die Jesus Kinder gebar, mag sich bestens für Verschwörungsszenarien von wahrhaft biblischen Ausmaßen eignen, ernsthafte Probleme für die römisch-katholische Glaubensgesellschaft würden sich daraus nicht ergeben. Eine Magdalena aber, die nichts anderes als ihr Menschenrecht auf Gleichwertigkeit einfordert, rüttelt an den Fundamenten des Katholizismus und stellt eine, womöglich die grundsätzliche Frage: Wie christlich kann es sein, das Maß an Nächstenliebe vom Geschlecht abhängig zu machen?

Jesus hinterlässt Spuren
    Für eine jesuanische Spurensuche muss zuallererst die Frage geklärt werden, ob sich diese auf die Fährte des historischen Jesus begeben oder den Versuch unternehmen will, der philosophisch-religiösen
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