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Die Un-Heilige Schrift

Die Un-Heilige Schrift

Titel: Die Un-Heilige Schrift
Autoren: Helmuth Santler
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Besatzungsmacht waren die frühen Christen eindeutig Terroristen und wurden erbarmungslos verfolgt, verleumdet, gedemütigt und massakriert.) Unter dem Eindruck konkurrierender Bewegungen wie dem Marcionismus, dem Montanismus oder den diversen gnostisch beeinflussten Denkrichtungen war stets versucht worden, einen Erfolg versprechenden Mittelweg zu wählen, d. h. jene Linie zu finden, die die größte Anhängerschaft anzulocken versprach.
    Gegen Ende des 3. Jahrhunderts hatte sich die christliche Kirche weitgehend etabliert. Mit dem Toleranzedikt von Nikomedia 311 und dessen Bestätigung durch Konstantin im Toleranzedikt von Mailand 313 gestattete das römische Imperium den Christen die Ausübung ihrer Religion und beendete offiziell die Christenverfolgung. Nach wie vor fehlte aber das wahrhaftige Fundament einer institutionalisierten Religion, sprich einer Kirche: eine einheitliche Heilige Schrift.

    Konstantin I. und seine Mutter Helena spiegeln die Zerrissenheit im Land: Sie war Christin, er betete zu Sol Invictus, wurde später Trinitarier und dann Arianer.
    Welche der kursierenden Evangelien, Briefe, Apostelgeschichten usw. in diese Heilige Schrift Einlass finden sollten, war zu diesem Zeitpunkt bereits weitgehend geklärt. Bevor der letzte Schritt jedoch erfolgen konnte, musste noch ein theologischer Disput beigelegt werden – der Streit um Jesu Göttlichkeit.
    Die Kontroverse entbrannte 318 in Alexandria: Der dortige Bischof Alexander diskutierte mit seinen engsten Vertrauten und Schülern über die Dreieinigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist und vertrat dabei die Ansicht, diese drei Entitäten seien wesensgleich. Einer der Ältesten, Arius, war anderer Meinung: Es habe eine Zeit gegeben, da Jesus nicht war (womit er nicht ewig sein kann), er sei dem Vatergott nach- und damit untergeordnet.
    Arius sprach Jesus nicht direkt die Göttlichkeit, wohl aber die Gleichwertigkeit mit Gott Vater ab: Im Vergleich zur Omnipotenz (Allmacht) des einen wahren Gottes seien Macht, Wissen und Weisheit der „ersten Kreatur Gottes“ begrenzt. Jesus sei ein perfektes Abbild des Vaters, aber keine Gott gleichrangige, gar wesensgleiche Existenz. Diese Unterordnung sei biblisch bezeugt, wohingegen von der Göttlichkeit Jesu nicht die Rede sei und die Vergottung und Personalisierung des Heiligen Geistes, der dritten Entität der Dreieinigkeit, schon überhaupt nicht erwähnt werde.
    Arius vertrat den Standpunkt, dass Gott und Jesus lediglich wesens ähnlich seien, und sah in der Dreieinigkeit Vater – Sohn – Hl. Geist einen Verstoß gegen den Eingottglauben.
    Damit wandte er sich gegen die Trinität, die Dreieinigkeit, in der er einen zwar verkappten, aber nichtsdestoweniger untragbaren Verstoß gegen den Eingottglauben zu erkennen meinte: Wenn Vater und Sohn und Heiliger Geist „wesensgleich“ seien, gebe es drei Götter, nicht einen.
    Arius hatte einen Nerv getroffen: Er löste eine Diskussion aus, die zu Jahrhunderten des Streits führte, zur Abspaltung von Konfessionen beitrug und eine willkommene Begründung für blutige Glaubenskriege lieferte – und bis heute nicht beendet ist. (So stellen Juden, Muslime und Unitarier ebenfalls teilweise in Frage, dass es sich beim Christentum um eine monotheistische Religion handele.) Unfassbar – besonders wenn man für die Positionen der später Trinitarier und Nicht-Trinitarier genannten, in sich äußerst inhomogenen Gruppen die griechischen Begriffe heranzieht. Der Unterschied ist ein Jota: homo-ousios (wesensgleich) und homo i -ousios (wesensähnlich). Hier dürfte auch der Ursprung der Redewendung „um kein Jota abweichen“ zu finden sein.
    Die Trinitarier wehrten sich nach Kräften. Allen voran kämpfte der spätere Bischof Athanasius von Alexandria leidenschaftlich um die Erlösung. Genau diese sah er nämlich gefährdet: Sollte Jesus selbst als nicht allmächtiger Gott der Erlösung bedurft haben, konnte er nicht zugleich der Erlöser der Menschheit gewesen sein.
Arius Ansichten wurden zur Häresie erklärt, verbreiteten sich aber trotzdem.
    319 berief Bischof Alexander eine Synode für Libyen und Ägypten ein, in der die „Subordinationslehre“ (also die Unterordnung Jesu) als Irrlehre verurteilt wurde. Arius wurde aus Alexandria vertrieben. Mit Unterstützung des einflussreichen Eusebius von Nikomedia, Patriarch von Konstantinopel, und, zumindest anfangs, dem Kirchenvater Eusebius von Caesarea, verbreitete er aber erfolgreich seine Ansichten im gesamten
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