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Die Türen seines Gesichts

Die Türen seines Gesichts

Titel: Die Türen seines Gesichts
Autoren: Roger Zelazny
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an den Schlag einer zersprungenen Glocke erinnerte, taumelte der Würfel auf die Brücke; er glitt vor und nach links. Carlson schlug mit der Stange danach, stemmte sich mit seiner ganzen Kraft nach rechts. Doch der Würfel blieb am linken Rand des Ofens hängen. Unten war der Spalt zwischen dem Würfel und der Tür am weitesten.
    Er schob die Stange darunter und stemmte sein ganzes Gewicht dagegen, dreimal.
    Dann schob der Würfel sich vor und blieb im Zünder liegen.
    Er fing zu lachen an. Er lachte, bis er spürte, wie schwach er war. Dann setzte er sich auf den zerbrochenen Karren, baumelte mit den Beinen und lachte wieder vor sich hin, bis die Laute, die aus seiner Kehle drangen, ihm in seinen Ohren fremd und deplaciert erschienen. Abrupt hörte er auf und knallte die Tür zu.
    Das Sendebrett hatte tausend Augen, aber keines von ihnen blinzelte ihm zu. Er legte die letzten Schalter für die Sendung um und überprüfte noch einmal die Generatoren.
    Und dann stieg er auf eine Leiter und trat an ein Fenster.
    Draußen war noch Tag, und so ging er von einem Fenster zum anderen und drückte jeweils auf den Knopf mit der Aufschrift „öffnen“, den er unter jedem Sims fand.
    Dann aß er seinen restlichen Proviant, trank eine ganze Flasche Wasser und rauchte zwei Zigaretten. Auf der Treppe sitzend dachte er an die Tage, als er hier mit Kelly und Morchison und Djizinsky gearbeitet hatte, erinnerte sich, wie er die Elektronen gebändigt hatte, bis sie jammerten und durch die Wände hindurch in die Stadt sprangen.
    Die Uhr! Plötzlich fiel sie ihm wieder ein. Sie war hoch an der Wand befestigt, links von der Tür, und bei 9:33 erstarrt (und achtundvierzig Sekunden).
    Er schob eine Leiter durch das Zwielicht und stieg darauf zur Uhr empor. Er wischte mit einer kreisförmigen fegenden Bewegung den Staub von ihrem schmierigen Zifferblatt. Dann war er bereit.
    Er ging zum Zünder zurück und schaltete ihn ein. Irgendwo erwachten die ewigen Batterien, und er hörte ein Klicken, als ein dünner scharfer Stab sich in den Würfel bohrte. Er rannte die Treppen auf allen vieren hinauf, trat an ein Fenster und wartete.
    „Herrgott“, murmelte er. „Laß sie nicht explodieren! Bitte nicht!“
    Nach einer Ewigkeit der Finsternis begannen die Generatoren zu summen. Er hörte ein Knistern von statischer Elektrizität vom Sendebrett und schloß die Augen. Das Geräusch erstarb.
    Er öffnete die Augen, als er hörte, wie das Fenster sich nach oben schob. Rings um ihn öffneten sich die hundert hohen Fenster. Ein kleines Licht flackerte über der Werkbank unter ihm auf, aber er sah es nicht.
    Er stand jetzt da und starrte hinaus über die Stadt, seine Stadt.
    Die Lichter waren nicht wie die Sterne. Sie leuchteten heller als die Sterne. Sie waren die frohe, geregelte Konstellation einer Stadt, in der Menschen wohnten. Gleichmäßige Reihen von Straßenlaternen, Neonleuchten, helle Fenster in den Apartments, ein paar helle Rechtecke an den Flanken der Wolkenkratzer, ein Scheinwerfer, der seine leuchtende Antenne über den Wolken kreisen ließ, die über der Stadt hingen.
    Er rannte an ein anderes Fenster und spürte, wie die Nachtbrise in seinen Bart griff. Die Bänder unter ihm summten jetzt. Er hörte, wie sie ihre Monologe bis in die tiefsten Schluchten der Stadt murmelten. Er stellte sich die Leute in ihren Häusern vor, in den Theatern, den Bars, wie sie miteinander sprachen, ihre Freude teilten, Klarinette spielten, Händchen hielten, einen kleinen Imbiß zu sich nahmen. Schlafende Robotwagen erwachten, fegten in den Straßen über den Bändern aneinander vorbei; das anhaltende Summen über der Stadt erzählte eine Geschichte von Produktion, von Funktion, von Bewegung und Dienst an den Bewohnern. Der Himmel schien sich über ihr zu drehen, als wäre die Stadt seine Achse und das Universum sein äußerer Rand.
    Und dann verblaßten die Lichter, wurden gelb, wo sie eben noch weiß gewesen waren, und er rannte mit verzweifelten Schritten zum nächsten Fenster.
     
    „Nein! Nicht so bald! Verlaßt mich noch nicht!“ schluchzte er.
    Die Fenster schlossen sich, und die Lichter gingen aus. Er stand lange da und starrte in die verglühende Asche. Ein Hauch von Ozon drang an seine Nase. Er bemerkte den blauen Schein rings um die sterbenden Generatoren.
    Er stieg hinunter, ging zu der Leiter, die er an die Wand gelehnt hatte.
    Er preßte sein Gesicht gegen das Glas, bis er die Zeiger erkennen konnte.
    „Neun Uhr fünfunddreißig und
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