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Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)

Titel: Die Tür (Die Damalstür) - Sonderedition (German Edition)
Autoren: Akif Pirincci
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rschlissenen schwarzen Windsor- Mantel wie ein Gläubiger vor dem Altar aus. Allmählich graute der Morgen, doch der Nebel verhinderte eine wirkliche Aufhellung und zwang der Straße mit den schönen Gründerzeitgebäuden eine deprimierende Trübe auf.
    Seltsam, dachte Ali, noch vor einer Stunde war es kurz vor Mitternacht, und jetzt bricht schon der Tag an, wirklich höchst seltsam. Während er nach einer Erklärung für diese Unstimmigkeit suchte, öffnete sich die verwitterte Eichenholztüre des Hauses. Sie war mit Schnitzereien bedeckt, welche die Wanderung des Sensenmannes in Kapuzenkluft über eine mit Skeletten und Knochen übersäte bäuerliche Landschaft darstellten. Heraus kam der amtliche Waldschrat. Er trug den katholischen Priesterrock, und das Gesicht mit der Nickelbrille war hinter Dunstschleiern nur undeutlich zu erkennen.
    Der dickliche Mann mit der Halbglatze stieg die Treppen herunter und kam durch den verwilderten Vorgarten auf Ali zu. Wie aus weiter Entfernung auf ihn herabschauend, formte er dann die Hand zu einer Faust und zielte mit Zeige- und Mittelfinger in den Himmel. Ali glaubte im ersten Augenblick, daß er ihn segnen wolle, erkannte jedoch dann darin das Zeichen .
    »Bist du bereit, Alfred Seichtem?« fragte der amtliche Waldschrat.
    »Zu was?« entgegnete Ali.
    Es war erstaunlich, wie problemlos er sprechen konnte, obwohl der Zaunstab auch den hinteren Teil der Zunge durchbohrt hatte.
    »Was bedeutet dieses Zeichen, Ali?«
    »Keine Ahnung. Ist es so wichtig?« sagte Ali trotzig.
    »Du weißt, was es bedeutet: Buddy up!«
    »Und?«
    »Wo hast du dieses Zeichen gesehen?«
    »Vielleicht bei dem Tauchkursus in Marokko.«
    Der amtliche Waldschrat lächelte wissend und schüttelte den Kopf.
    »Nein, Ali, du solltest ehrlich zu dir selbst sein. Du hast dieses Zeichen in einem Fernsehbericht über Kampfschwimmer beim Militär gesehen. Was glaubst du, was du in Marokko getan hast?«
    Alis Gesicht verdunkelte sich, und die kindische Trotzigkeit fiel von ihm ab.
    »Ich habe mich in Marrakesch, in den Souks an einem kleinen Mädchen mit ozeangrünen, leuchtenden Augen vergangen. Sie war höchstens zehn. Dieser einäugige alte Krüppel hat sie mir angeboten. Ich war besoffen und ...«
    Der amtliche Waldschrat lächelte erneut.
    »Wieder falsch, Ali, du warst noch nie in Marokko! Dieses Land hat dich nur beschäftigt, weil du von Gaston immer gedacht hattest, daß er gebürtiger Marokkaner sei. Das Mädchen mit den ozeangrünen Augen ist das Titelblatt des Merian-Heftes über Marokko-Reisen. Und was Florence betrifft ...«
    »Ja, mit der habe ich es auch getrieben!«
    »... befindest du dich auch in einem Irrtum. Du hattest nur die Sorge, daß sie bei ihrer aufreizenden Schönheit dem Falschen in die Hände fallen könnte.«
    Nebelschwaden wehten vorbei und nahmen ihnen ein wenig die Sicht.
    »Bist du bereit, Alfred Seichtem?« fragte der amtliche Waldschrat erneut, und Ali sah, wie das Lächeln schlagartig aus seinem Gesicht verschwand.
    »Zu was denn?« entgegnete er wieder.
    »Wie du meinst. Weißt du noch, wie du Hardy nach seinem Selbstmordversuch im Krankenhaus besucht hast? Es war eine unheimliche Begegnung, nicht wahr?«
    »Ja, das war sie.«
    »In Wahrheit war es aber kein Selbstmord, sondern ein Unfall. Er war wie üblich betrunken und ist dann auf diese ... Na, du kennst ja die Geschichte. Außerdem ist er auf der Stelle gestorben.«
    »Er lag nicht monatelang im Koma?«
    Er kam sich vor wie ein Kind, das vom Vater darüber aufgeklärt wird, woher die Babys wirklich kommen.
    »Nein, Ali, Hardy hat bestimmt nicht im Koma gelegen. Er nicht. Und du warst auch nie in diesem Krankenhaus. Du warst zwar auf seiner Beerdigung, aber das mit dem Krankenhaus und mit dem Koma hast du dir aus einem ganz anderen Grund zusammenphantasiert. Vielleicht solltest du darüber ein bißchen nachdenken.«
    »Ich weiß gar nicht, was ich denken soll«, sagte Ali leise.
    »Dann erinnere dich doch mal an jene Nacht, als du und Ida euer früheres Selbst umgebracht habt. Ida ging zu der jungen Ida ins Schlafzimmer, um sie zu töten. Und als es soweit war, da lächelte die junge Ida der alten Ida freudig entgegen und schlug die Bettdecke zur Seite, damit die Mörderin es leichter hat. Wieso hat sie das wohl getan?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ist ja auch egal. Aber du kannst dich daran erinnern?«
    »Ja, hundertprozentig.«
    »Wieso eigentlich? Du warst doch unten im Erdgeschoß und konntest gar nicht wissen, was im
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