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Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
Autoren: Karina Kulbach-Fricke
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Mann betrügt, den die Tochter doch liebt und verehrt.
    Aber, Methildis, du verstehst das nicht. Kein junges, unschuldiges Mädchen kann das verstehen. Du denkst natürlich, die Liebe ist ein Frühling, ein Rausch, Schmetterlinge, die über Blumen tanzen, Sterne, die vom Himmel fallen, was weiß ich - jedenfalls etwas, das sich auf einen einzigen Menschen bezieht und darin niemals wanken kann. Ich sage dir aber, daß ich wirklich und wahrhaftig immer nur deinen Vater geliebt habe. Dieses eine, einzige Mal in meinem Leben, wo ich mit einem anderen Mann so nahe zusammen war - es war etwas ganz anderes. Eher eine Art Gedächtnisopfer im Gedenken an unsere Mathilde. Oh weh, jetzt wird dein Gesicht noch böser. Ich dachte mir ja schon, daß du das nicht verstehen kannst.
    Aus Trotz sage ich dir jetzt, was du durchaus nicht hören möchtest: Nach dieser Nacht konnte ich verstehen, was ich vorher in meinem tiefsten Innern nie ganz begriffen hatte: warum nämlich meine Mathilde mit unbeirrter Liebe an diesem Mann hing, der älter war als ihr eigener Vater. Ich hätte nicht geglaubt, daß ein Mann ein so zärtlicher, so
behutsamer, so einfühlsamer Liebhaber sein könnte wie dieser raue Krieger, Heinrich der Löwe …
    Methildis, so lauf doch nicht fort.
    Methildis, was fällt dir ein, die Tür so heftig zuzuschlagen?

    Ich freue mich, daß du wieder zu mir gekommen bist, meine Tochter. Du hast mich viele Tage warten lassen, und ich fürchtete schon, du hättest es endgültig satt, dich um deine alte Mutter zu kümmern. Ich hätte es dir nicht einmal übelnehmen können. Nun bist du doch wieder da, und dafür danke ich dir.
    Du möchtest wissen, warum in aller Welt ich dir dieses Geheimnis anvertraut habe, das doch vor zwanzig Jahren geschehen ist? Du meinst, niemals hätte jemand etwas davon erfahren müssen, du selber schon gar nicht?
    Du irrst, meine Methildis. Ich mußte es dir sagen, und du kannst mir glauben, daß ich viel Mut dazu gebraucht habe. Übrigens hat sich das, was dich so ärgert, was mir aber tiefen Frieden geschenkt hat, nicht wiederholt. Als der Morgen heraufdämmerte, sah der Herzog mich an und streichelte meine Hand.
    »Kannst du mir verzeihen, Sophia?« fragte er mich. »Ich weiß, daß ich das nicht hätte tun dürfen - wenn man die Meinung der Pfaffen dazu hören würde, was ich aber nicht will.
    Ich habe ein großes Unrecht gegen deinen Ehemann begangen, der dich arglos meiner Obhut anvertraut hat. Dabei stehe ich sowieso in seiner Schuld, denn er hat mich damals auf meiner Pilgerfahrt vor dem Ertrinken gerettet. Nun habe ich ihm diesen großen Dienst mit Untreue gedankt.
    Das belastet mich, und ich weiß noch nicht, wie ich das wiedergutmachen kann.

    Aber gegen dich, Sophia, habe ich nicht gesündigt. Bitte glaub mir, daß ich dir ganz gewiß nichts Böses tun wollte, erst recht nicht dich herabwürdigen oder zu meiner Lust gebrauchen. Ich wollte dir nur meine Zuneigung schenken, das kann ich auch heute morgen in meiner tiefsten Seele nicht bedauern. Ich wollte dir zeigen, daß ich dich als eine schöne und begehrenswerte Frau sehe, wenn ich es auch für möglich halte, daß dir die Meinung eines alten Mannes, wie ich es bin, nicht viel bedeutet. Ich achte und schätze dich hoch, und so wird es bleiben. Diese Nacht war etwas Besonderes, und unsere Mathilde, die jetzt über menschliche Eifersüchteleien erhaben ist, hat droben im Himmel sicher über uns gelächelt.«
     
    Dem war nichts hinzuzufügen. Auch ich konnte diese Begegnung nicht bedauern; sie war einmalig, wie Heinrich gesagt hatte, obwohl ich mich noch sechs Wochen in Dankwarderode aufhielt.
     
    Wochen später, am Abend des Tages, bevor der junge Heinrich ankam, bat ich den Löwen, noch einmal mit mir in den Dom zu Mathildes Grab zu gehen.
    »Jetzt noch?« fragte er erstaunt, denn es war schon dunkel, und die Nachtwächter zogen durch die Straßen und Gassen. Ich nickte. Es mußte am gleichen Tag sein, sofort. So rief der Löwe seinen jungen Knappen herbei, er sollte uns mit einer Fackel den Weg leuchten. Der Dom war ja nur ein paar Schritte entfernt. Als wir dort anlangten, fiel Heinrich ein, daß die Kirche um diese Zeit abgeschlossen war, und der Knappe mußte den Dompfarrer herausklopfen, damit er uns öffnete. Der Pfarrer schlurfte heraus, unter dem flüchtig übergeworfenen Mantel schauten seine dünnen, krummen Beine hervor. Er schloß umständlich mit dem großen Schlüssel das Kirchentor auf und wollte uns
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