Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman

Titel: Die Tuchhaendlerin von Koeln Roman
Autoren: Karina Kulbach-Fricke
Vom Netzwerk:
die Legende vom tapferen Helden Gottschalk Overstolz in die Welt gesetzt. Dir ganz allein werde ich jetzt sagen, wie es wirklich war.
    Ich sagte ja schon, daß selbst die Greise bei der Verteidigung der Stadt mit anpacken mußten. Nun, dein Vater wirkte zwar durchaus nicht greisenhaft, wenn er auch bereits sechzig Jahre alt war. Aber er gehörte zu denjenigen, die bei einer Erstürmung der Stadt am meisten zu verlieren hatten und die sich darum auch besonders eifrig um die Verteidigung bemühten. So hatte er auch ohne weiteres eine Nachtwache auf dem Mauerabschnitt der Tuchkaufleute übernommen, und ich schlief allein in unserer Kammer.
     
    Ich war zwar todmüde von der harten Arbeit des Tages, aber die Angst hielt mich fest in ihren Krallen. Nach kurzem Schlaf wachte ich wieder auf, und mein Bauch schmerzte. Ich schlüpfte in mein Hemd und tappte auf bloßen Füßen in die Küche. Vielleicht war noch etwas Kräutertee vom Abendessen übrig? Der würde mir sicher guttun. Ich machte mir nicht die Mühe, ein Licht anzuzünden, und blieb einen Augenblick stehen, um meine Augen an den schwachen Schimmer der Restglut im Herd zu gewöhnen. Da hörte ich unten ein Geräusch, aber nicht von der Haustür, sondern von der Gartenpforte. Ich wunderte mich; es konnte nur Gottschalk sein, aber der wäre doch wohl ins Haus gekommen? Ich lauschte noch eine Weile, hörte aber nichts mehr. Ich hatte keine Lust, im Hemd und barfuß jetzt nach unten zu gehen, fand die irdene Kanne, trank die letzten paar Schlucke Tee aus und ging dann wieder zu Bett.
    Aber ich konnte nicht einschlafen. Von Zeit zu Zeit hörte
man von verschiedenen Stellen der Stadt ein lautes Krachen, dann hatten die Belagerer wieder mächtige Steine geschleudert, ganz zu schweigen von den Brandpfeilen, welche die Belagerer in unregelmäßigen Abständen in die Stadt abschossen. Niemand konnte sicher sein, daß nicht gerade sein Haus von dem einen oder dem anderen getroffen wurde, und so hatten die erschöpften Bürger keine erholsame Nachtruhe. Eilig sprach ich ein Gebet zur Jungfrau Maria, daß sie unser Heim beschützen möge, und lauschte wieder. Da hörte ich abermals ein Geräusch aus dem Hof, das ich nicht einordnen konnte. Jetzt war ich doch so beunruhigt, daß ich ganz rasch in Hemd und Rock fuhr und die Treppe hinuntereilte, zu der Hintertür, die in den Hof führte. Draußen war es viel heller als im Haus, denn der Vollmond schien von einem wolkenlosen Himmel. So erkannte ich die Gestalt, die mir aus der geöffneten Stalltür entgegenrannte: Es war Bela, die junge Nichte unseres langjährigen Pferdeknechts Hermann. Sie schrie vor Schreck auf, als ich so unvermutet vor ihr auftauchte.
    »Was ist hier los?« fragte ich und packte sie am Arm. Sie stammelte etwas, was ich nicht gleich verstand; es kam nur mehrfach »der Herr« darin vor. Ich hielt sie bei den Schultern und schüttelte sie.
    »Rede so, daß ich dich verstehen kann«, befahl ich zornig. Sie fing an zu heulen, ihre Sprache wurde dadurch keineswegs deutlicher. Bis ich dann begriff, daß sie gesagt hatte, sie glaube, der Herr sei tot.
    Mir wurde eiskalt.
    »Ist er da drinnen?« fragte ich heiser und deutete mit dem Kopf auf die offene Stalltür. Sie nickte und heulte weiter.
    Ich nahm meinen Kopf zusammen. Ein Licht mußte her, im Stall war es stockdunkel. »Du bleibst hier stehen«, befahl ich und eilte in die Küche, so schnell ich konnte, fachte mit zitternden Händen einen Kienspan an der verdeckten Glut
im Herd an und entzündete damit eine Funzel. Damit rannte ich in den Stall, stieß mir unterwegs die Zehe blutig, merkte es in diesem Augenblick gar nicht. Bela stand noch an der gleichen Stelle.
    »Wo ist er?« fragte ich und zog sie zum Stall hin. Aber ich sah ihn gleich, als ich eintrat, ein dunkles Bündel am Fuße der Heubodenleiter. Mir drehte sich der Kopf. Eins der Pferde wieherte unruhig, und ich nahm mich zusammen. Ich kniete neben Gottschalk nieder und leuchtete in sein Gesicht. Er war sehr bleich, der Schweiß stand ihm auf der Stirn, von der Schläfe troff Blut. Er sah mit glasigen Augen an mir vorbei. Aber er lebte offensichtlich. Ich befühlte vorsichtig seinen Kopf - soweit ich feststellen konnte, war der Schädel heil.
    Ich atmete tief auf. »Und jetzt sagst du mir ganz genau, was hier geschehen ist«, sagte ich mit kalter Stimme zu dem Mädchen, das gleich wieder losheulte. Auf meinen drohenden Blick hin nahm sie sich so weit zusammen, daß ich aus ihrem Gestammel entnehmen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher