Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Treibjagd

Die Treibjagd

Titel: Die Treibjagd
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
gehen nicht mehr in den Wald.«
    In diesem Augenblick kehrte Céleste, die hinabgegangen war, zurück und meldete ihrer Herrin mit gedämpfter Stimme:
    »Der Herr läßt Madame bitten hinabzukommen. Es befinden sich bereits Gäste im Salon.«
    Renée erschauerte. Sie hatte die scharfe Luft, die um ihre nackten Schultern spielte, gar nicht verspürt. Vor dem Spiegel blieb sie einen Augenblick stehen, um sich gleichsam unbewußt anzublicken. Sie lächelte unwillkürlich und stieg hinab.
    Thatsächlich waren fast alle Gäste bereits angelangt. Da war vor Allem ihre Schwester Christine, ein Mädchen von zwanzig Jahren, in einer sehr einfachen Toilette aus weißer Mousseline; ihre Tante Elisabeth, die Wittwe des Notars Aubertot, in schwarzen Satin gekleidet, eine kleine alte Dame von sechszig Jahren und ausnehmender Liebenswürdigkeit; die Schwester ihres Gatten, Sidonie Rougon, eine magere, süßliche Frau in einem nicht näher zu bestimmenden Alter und mit einem Gesicht wie aus weichem Wachs, von welchem sich ihr verblaßtes Kleid kaum unterschied; sodann die Familie Mareuil: der Vater, Herr von Mareuil, der soeben die Trauer um seine Frau abgelegt hatte, ein großer schöner Mann, ernst, hohl, dessen Aehnlichkeit mit dem Kammerdiener Baptiste auf den ersten Blick auffiel; seine Tochter, die arme Luise, wie man sie gewöhnlich nannte, ein siebenzehnjähriges Kind, schüchtern, ein wenig buckelig und mit krankhafter Grazie ein weißes Seidenkleid mit rothen Punkten tragend; ferner eine Anzahl ernster Männer, lauter Herren die sich des Besitzes verschiedenster Auszeichnungen erfreuten, offizielle Persönlichkeiten, die nichts redeten und kahle Köpfe hatten; etwas entfernter von dieser Gruppe eine andere, von jungen Herren gebildet, die lasterhafte Mienen und tief ausgeschnittene Westen hatten und fünf oder sechs höchst elegante Damen umringt hielten, unter welchen sich auch die beiden Unzertrennlichen: die kleine Marquise vom Espanet in gelber und die blonde Frau Haffner in veilchenblauer Toilette befanden. Und inmitten der langen Schleppen auf dem Teppich promenirten zwei Unternehmer, zwei reich gewordene Maurermeister, die Herren Mignon und Charrier, mit denen Saccard am nächsten Tage eine Geschäftsangelegenheit erledigen sollte, mit schweren Stiefeln, auf den Rücken gelegten Händen auf und nieder und schienen sich dabei in ihren schwarzen Salonanzügen sehr unbehaglich zu fühlen.
    In der Nähe der Thür stehend redete Aristide Saccard mit einer Gruppe ernster Männer in näselndem Tone und mit seiner ganzen südlichen Lebhaftigkeit, ohne dabei einen der ankommenden Gäste zu übersehen, so daß er jeden sofort begrüßen konnte. Er drückte den Leuten die Hand und richtete liebenswürdige Worte an sie. Klein, unansehnlich, bückte und verneigte er sich wie eine Marionette und was an seiner schmächtigen, schlauen, schwärzlichen Person am meisten ins Auge stach, war das rothe Band der Ehrenlegion, welches breit und auffällig an seiner Brust prangte.
    Als Renée eintrat, erhob sich ein Gemurmel der Bewunderung. Sie war in der That göttlich schön. Ueber einem, rückwärts mit einer Fluth von Falten besetzten Mullrock trug sie eine Tunique aus zartgrünem Satin, welche eine hohe englische Spitze zierte, die von großen Veilchensträußen gehalten wurde; ein einziger Besatz befand sich am Vordertheil des Rockes, auf welchem mittelst Blumenguirlanden verbundene Veilchensträußchen eine leichte Mousselindraperie festhielten. Die Anmuth des Kopfes und des Busens war bewunderungswürdig und kam über dieser Toilette, die von einer königlichen Fülle, vielleicht sogar etwas überladen war, voll zur Geltung. Das Kleid war bis zu den Brustwarzen ausgeschnitten, die Arme nackt und nur an den Schultern mit Veilchen besetzt, welche die Befestigung des Leibchens maskirten und so schien die junge Frau förmlich nackt aus ihrer Wolke von Tülle und Satin hervorzugehen, einer jener Nymphen vergleichbar, deren Oberleib aus den heiligen Eichen hervorragt. Der weiße Busen, der üppige Leib schienen bereits so erfreut über diese halbe Freiheit, daß der Blick darauf zu warten schien, das Mieder und die Röcke herabgleiten zu sehen, gleich den Kleidern einer Badenden, die sich am eigenen Fleische berauscht. Ihre hohe Frisur, die emporgekämmten blonden Haare, durch die sich ein Epheuzweiglein schlang, erhöhten noch den Eindruck der Nacktheit, da dadurch der ganze Nacken blosgelegt wurde, den blos einige krause Goldhärchen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher