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Die Trasse von A'hi-nur

Die Trasse von A'hi-nur

Titel: Die Trasse von A'hi-nur
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Brocken gelöst hatten, über den ich vorhin geklettert war. Da mußte aber noch mehr ganz locker gehangen haben, und die Schläge, mit denen wir uns verständigt hatten, hatten einen weiteren Einsturz herbeigeführt. Es war ein verdammter Leichtsinn von mir gewesen, diesen querliegenden Brocken auf die leichte Schulter zu nehmen, wenn ich mal ein so saloppes Bild gebrauchen darf.
    Zunächst einmal mußte ich mich davon überzeugen, was nun wirklich geschehen war.
    Ich steckte Arm und Kopf durch das Loch in den Gang hinaus. Noch wogten Schwaden von Steinstaub hin und her, aber der Gang schien bis zur Biegung frei zu sein. Ich schob mich ganz hindurch. Jetzt, wo es zu spät war, wurde ich vorsichtig und prüfte, bevor ich einen Schritt vorwärts ging, die Decke mit dem Erzhammer auf Festigkeit.
    Auch hinter der Biegung waren noch ein paar Meter frei, doch dann lag eine schräge Wand von Geröll vor mir.
    Und erst in diesem Moment wurde mir bewußt, daß ja hinter dieser Wand Inge lag und auf ein Lebenszeichen von mir wartete.
    Ich klopfte mehrmals stark mit dem Hammer auf den Boden und lauschte dann auf Antwort. Nichts. War etwa Inge von dem Einsturz…?
    Ich zwang mich, vernünftig zu denken. Nein, natürlich war der Stollen nicht eingestürzt. Das Geröll wies darauf hin, daß es sich wahrscheinlich um relativ lose Massen handelte, und das auszuhalten, war der Stollen bestimmt fest genug. Sicherlich war Inge gelaufen, um das Lager zu alarmieren. Ich mußte also warten, bis man mir Zeichen geben würde.
    Inzwischen machte ich so eine Art Bestandsaufnahme. Und die war allerdings ernst genug.
    Dieser Ernst ließ sich in einem Satz ausdrücken: Mein Sauerstoffvorrat reichte für drei Stunden.
    In drei Stunden konnte man auf der anderen Seite kaum die Abschlußmauer des Stollens abtragen, geschweige einen Weg zu mir bahnen. Bergmännisches Gerät war auch gar nicht im Lager, man hätte es erst anfordern müssen, und selbst bei allergrößter Beschleunigung der Arbeiten war es nicht möglich, das rechtzeitig zu tun. Meine Lage war so gut wie aussichtslos.
    Nun, ich sitze vor euch und erzähle, und also muß ich ja irgendwie wieder herausgekommen sein. Aber das gelang nur, weil ich bei allem doch noch außerordentliches Glück gehabt hatte. Ich will nun nicht moralisieren, aber daß das gerade mir passierte, der ich mich immer für das Gegenteil eines leichtsinnigen Menschen gehalten hatte, das gab mir doch noch lange zu denken. Man sollte sich nie allzu sehr auf seinen eigenen Charakter verlassen, es gibt immer Situationen, in denen sich da etwas völlig umdrehen kann.
    Aber zurück in die Höhle. Ich wartete und gab von Zeit zu Zeit Klopfzeichen. Nach ein paar Minuten bekam ich dann Antwort. Mir wurde dabei wirklich leichter, obwohl das doch zunächst fast gar nichts bedeutete. Aber die anderen – und vor allem Inge – wußten nun wenigstens, daß ich noch lebte.
    Ich überlegte mit neuem Antrieb. Sollte das Gestein vielleicht dort, wo die Quelle durchsickerte, morscher gewesen sein? Dann wäre ja zu erwarten, daß auf der anderen Seite des schon früher abgestürzten Brockens der Gang noch frei war. Vielleicht war es mir auch möglich, so viel Geröll wegzuziehen, daß ein Spalt entstand, durch den ich kriechen konnte?
    Unter den Geräten, die ich mitgenommen hatte, war ein kleiner Spaten – nicht gerade ideal für diesen Zweck, aber immerhin besser als die bloßen Hände, die ich übrigens auch oft genug gebrauchte, um größere Brocken hinter mich zu rollen. Ich schaufelte also schnell, aber doch nicht überhastet Geröll hinter mich in den Gang. Obwohl es hier ziemlich kühl war, brach ich sehr bald in Schweiß aus – wahrscheinlich eine Folge der fehlenden Hautatmung, die ja auch Sauerstoff braucht.
    Als ich einmal eine Pause einlegte, glaubte ich, kratzende Geräusche zu hören. Sie arbeiteten von der anderen Seite mir entgegen! Na also – wenn das möglich war, dann war ja meine Lage doch nicht so ganz aussichtslos.
    Mehrmals war das Geröll schon nachgerutscht. Ich schraubte meine letzte Sauerstoffpatrone in die Maske und blickte hinter mich. Ich hatte ja den Gang schon beinahe zugeschüttet! Wohl oder übel mußte ich den Berg hinter mir etwas flacher ziehen, und vor allem erst einmal die restlichen Geräte aus dem hinteren Raum holen.
    Ich kroch also über den Geröllberg nach hinten und dann durch das Loch, und da wurde mir mit einem Mal so schlecht, daß ich glaubte, mich übergeben zu müssen. Das wäre
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