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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition)
Autoren: Anke Napp
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war man uns freundlich gesinnt.”
    „Nein, ziehen wir nach Spanien oder Portugal! Dort haben die Provinzialkonzilien den Orden freigesprochen.”
    „Ja! Und außerdem habe ich gehört, bereitet der König von Aragon einen neuen Kreuzzug vor!”
    Ein Kreuzzug? Das war eine Nachricht, die in manchen der verzweifelten, zornigen Herzen, den gedemütigten und verstörten Seelen, wieder den Funken der Hoffnung entzündete.
    Jocelin wandte kurz den Kopf Richtung Vienne. Von der Stadt mit ihrer Kathedrale nur noch ein dunkelgrauer Schemen vor dem Nachthimmel zu erkennen. Der Wind trug die Silben des Nachtwächter-Singsangs bis zu ihnen. Und dazwischen war immer wieder das vereinzelte Klirren von Waffen und Rüstungen zu hören, die einem geübten Ohr sagten, dass König Philipps Truppen keinesfalls daran dachten, untätig auf das Ende des Konzils zu warten. Sie waren unterwegs, um endgültig zu tilgen, was das Dekret des Papstes gerade entwurzelt hatte.
    „Wir müssen fort von hier! An einen Ort, der nicht so leicht einzunehmen ist! Louis, gebt den Befehl zum Aufbruch, Richtung Süden, zum Pass!“ Er wollte zu seinem Pferd, aber Jean de Saint-Florent hielt ihn zurück.
    „Wartet! Was ist mit Ghislaine?“
    Jocelin drehte sich um, konnte in der Dunkelheit noch ihre Gestalt neben einem der Pferde ausmachen. Sie unterhielt sich mit ihrem Sohn, der damit beschäftigt war, die Packtaschen am Sattel zu befestigen. „Ich habe mit Erzbischof Gregor gesprochen, ehe wir Vienne verlassen haben. Er hat mir versprochen, sich für sie zu verwenden und ihre Sicherheit zu garantieren.“
    Noch während er sprach, kamen Jocelin diese Worte hohl wie Getreidespelzen vor. Welche Sicherheit konnte Gregor von Rouen garantieren? Der Papst hatte die Sicherheit ihres Ordens ebenso wenig ‚garantieren’ können! Dennoch fuhr er fort: „Er wird versuchen, sie inkognito in einem Kloster in den Pyrenäen unterzubringen.“
    „Jocelin…“ Jean schüttelte den Kopf und rang sichtlich mit sich, vorzubringen, was er vorbringen wollte. Er konnte sich aber einfach nicht länger zurückhalten. „Das könnt Ihr nicht machen! Das könnt Ihr doch einfach nicht fertig bringen!“
    „Bruder?“
    „Ghislaine liebt Euch, seit Jahren! Sagt mir nicht, Ihr habt keine Ahnung davon! Eure Gelübde sind nicht gültig und –“
    Von einer Sekunde zur anderen veränderte sich Jocelins Gesichtsausdruck; er starrte seinen Ordensbruder entgeistert an. „Woher wisst ihr das?“ fragte er flüsternd.
    Jean hob seufzend die Hände. „Ich habe Wache gestanden oben auf den Felsen. Ich habe nicht gelauscht. Es war ganz einfach jedes Wort zu verstehen, die Wände haben es nach oben getragen wie in einem Kathedralgewölbe. Ich wollte immer darüber schweigen, aber… verdammt noch mal, Ihr könnt Ghislaine doch nicht einfach im Stich lassen! Oh, ich weiß,  SIE würde bereit sein, in irgendeinem maroden Konvent zu verschwinden, wenn Ihr das wollt – aber bei allen Heiligen Gottes, ich kann nicht so zusehen, wie Ihr -“
    „Ja? WAS? Wie ich sie vor einem Leben in Armut und Elend bewahre? Was soll ICH ihr bieten, sagt mir das, Jean?!“ Jocelin senkte seine Stimme etwas, als er merkte, dass sich einige Augen in ihre Richtung bewegten. „Ein Leben in Furcht und Flucht, am Bettelstab? An der Seite eines exkommunizierten, hinkenden Krüppels, den jede Nacht Albträume von den Folterungen plagen? Eine schöne Zukunft für sie, findet Ihr das?“
    „Habt Ihr sie gefragt? Oder seid Ihr zu feige -“
    „Was?!“ Jocelins Gesicht war weiß vor Zorn. „Was maßt Ihr Euch an? Mein Bruder! Mein Waffengefährte! Und Ihr verratet mich, JETZT?!“
    „Ich verrate Euch nicht! Ihr selbst tut es! Ihr seid ein verbohrter –“ Ein zischendes Geräusch unterbrach Jean und er fuhr herum. „Was war das?“
    Ein Pfeil, der knapp neben ihm in einen Baumstamm fuhr, beantwortete die Frage. Hinter dem Blattwerk waren jetzt auch zahlreiche kleine Feuer zu sehen. Die Söldner hatten Fackeln angezündet, um ihre Beute heraus zu treiben.
    „Rasch! Auf die Pferde und los!“ rief Jocelin und Jean nickte. Der Streit von eben war bedeutungslos und vergessen angesichts des nahen Feindes. „Sie versuchen, uns den Weg zum Pass abzuschneiden! Wenn wir uns beeilen, können wir ihnen über die Westroute entkommen, über das Köhlerdorf!“
    „Das ist verdammt gefährlich in der Nacht. Die Pferde könnten sich die Beine brechen oder wir im Dickicht stecken bleiben!“
    „Aber was sonst? Einen
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