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Die Tränen des Herren (German Edition)

Die Tränen des Herren (German Edition)

Titel: Die Tränen des Herren (German Edition)
Autoren: Anke Napp
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hier, wollt Ihr ihn sprechen, Euer Heiligkeit?“
    „Ja, er möge eintreten“, gewährte der Papst und brachte sein Gewand in Ordnung.
    „Heiliger Vater, ich bringe Euch das Ergebnis der Konzilsabstimmung. Vier Fünftel der Konzilsväter haben sich für eine Verteidigung der Templer ausgesprochen.“
    Der Papst legte die Liste des Erzbischofs zur Seite, ohne sie anzusehen. Stattdessen reichte er Gregor von Rouen ein Pergament, an dem noch das zertrennte Siegelband hing.
    „Lest das!“
    „Zeugen, die beschwören, dass Papst Bonifatius Zwiesprache mit den Dämonen betrieb... Zeugen, die beschwören, dass er der Unzucht ergeben war... Zeugen, dass er seine Amtsvorgänger ermorden ließ, um auf den Stuhl Petri zu gelangen...“
    „Das brachte mir heute morgen ein Bote Seiner Majestät“, fügte Clemens erklärend hinzu.
    Gregor von Rouen ließ das Blatt sinken.
    „Die Verurteilung der Templer mag ein schweres Unrecht sein“, sprach der Papst weiter. „Aber ein schweres Unrecht zerschlägt nicht die Kirche! Doch wenn ich Bonifatius verurteilen muss, und wenn Philipp diese Aussagen an die Öffentlichkeit bringt, würde mir nichts anderes übrig bleiben, dass würde bedeuten, die von ihm gespendeten Bischofsweihen sind ungültig, auch die meinige! Und die Bischöfe haben Priester geweiht, Sakramente gespendet, all das wäre dann ungültig! Hunderte Christen wären nicht getauft, nicht gültig verheiratet! Die Kirche würde im Chaos versinken!“
    „Seine Majestät hat kein Recht, entsprechende Verurteilungen von Euch zu fordern, weder die eine noch die andere!“ entgegnete Gregor von Rouen mit der Entschiedenheit, deren Notwendigkeit ihn die vergangenen Wochen gelehrt hatten. „König Philipp hat die Mitglieder eines geistlichen Instituts gefangen genommen, sie in schwerster Weise misshandeln lassen und ihre Güter an sich gerissen. Taten, für die mehrere Eurer Vorgänger Bann und Interdikt verhängt haben, Heiliger Vater.“
    „Ach, meine Vorgänger! Soll ich Philipp exkommunizieren? Ich würde nicht mehr lang genug in Freiheit sein, die Sentenz zu veröffentlichen! Auch Bonifatius hat damals in Anagni die Exkommunikation König Philipps vorbereitet, als Nogaret ihn überfiel, wisst Ihr das nicht mehr?“
    „Bonifatius hatte keine Armee, die ihm ergeben war! Ihr schon! An die 100 Templer sind bereits in den Wäldern ringsum versammelt! Stellt ihnen einen gerechten Prozess in Aussicht, und sie werden für Euch kämpfen bis zum letzten Atemzug! König Diniz von Portugal hat Euch ebenfalls Hilfe und Schutz zugesagt!“
    Aber Papst Clemens besaß kein Vertrauen in eine Armee, deren Stärke er nicht mit eigenen Augen sah. Nach Portugal fliehen? Das eine Gefängnis mit einem anderen tauschen? Im war nicht nach Abenteuern dieser Art zumute! Mit einer matten Handbewegung befahl er lediglich, den Erzbischof wieder hinauszuführen.
    „König Philipp ist da!“
    Der Schrei riss die im erzbischöflichen Palais wohnenden Prälaten in der  kommenden Nacht zu ungewohnt früher Stunde aus dem Schlaf.
    „Heiliger Vater, König Philipp -“
    Clemens schob die Vorhänge seines Bettes zur Seite, starrte den Kammerdiener entsetzt an.
    „Philipp? Wo?“
    „In Vienne! Vor der Kathedrale, Heiliger Vater!“
    Der Papst stand auf, kleidete sich in aller Hast an. Seine Finger waren plötzlich so kalt und steif, dass er den Gürtel zweimal fallen ließ, aber er wollte sich nicht helfen lassen. Kurz darauf in der Galerie des Palais angelangt sah er das Schreckliche. Im Schein dutzender Fackeln stand Seine Majestät auf dem Kathedralplatz, begleitet von zweien seiner Söhne, eine große Zahl Bewaffneter hinter sich.
    Genügend, um das Konzil gefangen zu nehmen... Die Kälte kroch höher in den Papst hinauf und legte sich wie eine unsichtbare Schlinge um seinen Hals.
    „Euer Heiligkeit, wünscht Ihr wieder in Euer Gemach zu gehen?“
    „Nein, hinunter in die Kathedrale!“ erwiderte Clemens, gegen seine Übelkeit ankämpfend.
    Schnell rief der Kammerdiener ein paar Kerzenträger herbei, die die finsteren Treppen und Gänge vom Palais zum Gotteshaus erleuchten sollten. Auf dem Weg gesellten sich noch einige aufgeregte Prälaten und Bedienstete zu der seltsamen Prozession. Noch im Nachtgewand huschte der Ostiarius mit den Kirchenschlüsseln an ihnen vorbei. Einen Augenblick später öffneten sich die Flügel des Kathedralportals und Papst Clemens trat hinaus. Im selben Moment glitt König Philipp aus dem Sattel, lief die Stufen
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