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Die Traenen Des Drachen

Titel: Die Traenen Des Drachen
Autoren: Andreas Bull-Hansen
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Seite des Raumes hinüber und sah aus der Tür. Er stand da und starrte in den Schnee hinaus, während Viani den Morgenbrei kochte.
    Als sie ihn rief, nahm er die Schale, ohne sie auch nur anzusehen, und bewegte still vor sich hinmurmelnd den Kopf hin und her. Er setzte sich zu Noj und sprach leise und eindringlich mit ihm, ohne dem Brei in seiner Schale auch nur einen Gedanken zu widmen. Als Noj aufgegessen hatte, gingen sie gemeinsam aus der Hütte. Noj brummte nur etwas, als Viani sagte, er bräuchte Ruhe, und hinkte, sich auf einen Stock stützend, dem Waldgeist hinterher. Als auch ich ihnen folgte, verdrehte sie die Augen und bat Kirgit, auf mich aufzupassen.
     
    Den Schaft des Speeres als Stock nutzend, humpelte ich zur Tür, wo die Männer mit verschränkten Armen standen und einer heiseren Stimme lauschten. Die Haut brannte noch immer, und ich hatte stechende Schmerzen, wenn ich die Knie beugte. Aber ich konnte jetzt, da der vierte Wintervollmond nur noch einen Tag entfernt war, nicht still dasitzen. Kirgit eilte hinter mir her und legte meinen Arm über ihre Schulter. Gemeinsam gingen wir auf die Menschenschar zu. Loke war auf die zerbrochenen Schlitten geklettert, sodass er höher stand als seine Zuhörer. Er wedelte mit den Armen und deutete auf die Hausdächer.
    »Die Hütten brauchen stärkere Dächer!« Er redete so laut er nur konnte. »Und ihr müsst eine Mauer aus Steinen und Baumstämmen gegen die Lawinen errichten!«
    »Dann müsst ihr Ställe für die Schafe bauen und oben auf den Hügeln, wo der Wind den Schnee wegbläst, Heu sammeln.«
    Loke hakte die Daumen unter seinen Gürtel und fuhr mit seinen Ermahnungen fort.
    »Komm«, sagte Kirgit. »Wir striegeln die Pferde! Ich kann dir zeigen, wie das geht.«
    Sie legte ihren Arm um meinen Rücken. Wir gingen zurück und kamen auf den matschigen Pfad, der zum Stall führte. Sie schob die Tür auf und winkte mich herein.
    »Nimm die Bürste.« Sie zeigte auf ein paar runde Knochenkämme mit Schweineborsten, die unmittelbar neben der Tür hingen. »Wir können mit Schildmann anfangen.«
    Sie öffnete eine niedrige Tür und trat in eine geräumige Stallnische, bevor sie zurückkam und mir weiterhalf. Schildmann hieß uns mit einem Schnauben willkommen, senkte den Kopf und nahm ein Maul voll von dem Heu, das vor meinen Füßen lag. Sie ließ mich vorsichtig los und ging auf die andere Seite des Tieres hinüber.
    »So, mit dem Haarstrich. Lange Striche über den Rücken.« Sie begann das Pferd von der Mähne bis hinunter zum Bauch zu striegeln.
    Ich blieb stehen und sah zu, während Schildmann weiterfraß. Kirgit war fast fertig, als ich mit ihr zu reden begann.
    »Du weißt, dass der ewig währende Winter kommen wird?«
    Sie blickte zu Boden.
    »Es ist meine Schuld«, sagte ich. »Ich war ihr Führer, doch es ist mir nicht gelungen, sie rechtzeitig hierher zu bringen.«
    Sie begann wieder zu striegeln. Von der Mähne nach unten. Wollte sie nicht darüber reden? Begriff sie nicht, dass sich niemand vor diesem ewigen Winter verstecken konnte?
    »Verstehst du das nicht?« Ich stützte mich auf den Speerschaft und ging auf die andere Seite des Tieres hinüber. Sie wandte sich von mir ab.
    »Wir können nicht überleben, wenn es nie wieder Frühling wird! Ich habe geträumt, wie die Welt aussehen wird, und das ist eine Welt ohne Leben!«
    Sie ließ den Kamm fallen und rannte mit einem Schluchzen aus dem Stall. Mit einem Mal wurde mir klar, dass ich sie angeschrien hatte. Ich hörte, wie der Schnee unter ihren hastigen Schritten knirschte. Schildmann sah mich mit schwarzen Augen an, beugte seinen Nacken und begann wieder Heu zu fressen. Ich stützte mich an die Wand und hob den Kamm auf. Die eine Hand an die Stallwand gelehnt, trat ich aus Schildmanns Box, hängte den Kamm an seinen Platz und schloss die Tür hinter mir.
    Die Männer standen noch immer da und hörten Loke zu. Ich taumelte zu dem Trampelpfad hinüber, der zwischen den Häusern hindurch zu den Klippen bis zur Treppe führte. Bei jeder Stufe brannte und zerrte es in meiner verbrannten Haut. Doch schließlich kam ich oben in der Kalane an. Ich setzte mich dort auf die Bank am Rande der Felswand. Vor meinen Füßen lag ein zerbrochener Pfeil. Ich schob ihn mit dem Fuß über die Kante hinunter und lehnte mich nach vorn, um zu sehen, wo er landete. Nur noch die Balken waren von den Belagerungshütten zu sehen. Die Dachschilde waren nicht mehr da. Auch die Zelte waren abgebaut, und der Pferch für
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