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Die Traene des Drachen

Die Traene des Drachen

Titel: Die Traene des Drachen
Autoren: Christina Matesic
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sich ihren Rücken von den Strahlen der Herbstsonne wärmen ließen. Schon der Abschied von ihrem Wald, dem See und den Tieren, die Teil ihres Lebens geworden waren, löste in ihrem Magen ein unerträgliches Ziehen aus. Wie würde sie sich erst fühlen, wenn sie ihre Familie verlassen müsste?
    Auf dem Nachhauseweg schwiegen beide eine Zeit lang vor sich hin. Kellen nahm schließlich das Thema ihrer mutmaßlichen Verfolger wieder auf. „Am meisten bereitet mir Kopfzerbrechen, dass der königliche Trupp in Begleitung eines Mannes mit zweifelhaftem Ruf ist.“ Elea ließ ihre wehmütigen Gedanken sofort fallen und wurde hellhörig. Sie musste sich erst einmal räuspern, damit sie überhaupt einen Ton herausbringen konnte. „Was meinst du mit
zweifelhaftem
Ruf
?“, fragte sie unsicher. „Nun ja…“, druckste Kellen herum. Sie blieb stehen und zwang ihn ebenfalls anzuhalten. „Jetzt sag schon! Schlimmer als meine Lage jetzt schon ist, kann sie wohl kaum noch werden?!“
    „ Dieser Mann hat einen gewissen Ruf, der mich etwas beunruhigt. Als ich vor etwa acht, neun oder zehn Tagen... ich weiß gar nicht, wie viele Tage seitdem vergangen sind; ich habe völlig das Zeitgefühl verloren. Als ich also damals in Tabera auf dem Markt war, hörte ich einen Händler von einem mysteriösen Trupp von königlichen Kriegern erzählen, die bereits halb Moraya durchquert hätten und dabei sich äußerst zielstrebig gen Osten bewegten. Er meinte, dass er in Begleitung des
schwarzen Jägers
reite. Er sei König Roghans gefürchteter Häscher, der bisher jeden aufgespürt habe, auf den dieser ihn angesetzt hatte. Er setze ohne jegliche Skrupel und mit roher Gewalt den Willen des Königs durch. Manche nennen ihn auch die
Blutbestie
. Nachdem ich das erfahren habe, habe ich mich sofort auf den Weg nach Hause gemacht, um euch zu warnen. Sie hatten einen Vorsprung von etwa einem Tag. Ich bin Tag und Nacht geritten und habe nur so viel wie nötig geschlafen. Ich wusste ja nicht, wie eilig die Krieger es hatten, dich zu finden. Zudem habe ich die südliche Route jenseits des Luks genommen, die ja bei Reisenden nicht so beliebt und zudem länger ist als die nördliche. Ich wollte ihnen auf gar keinen Fall begegnen.“ Kellen ließ verzweifelt die Schultern hängen und wich Eleas Blick aus. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und den Mund wie zu einem Schrei geöffnet.
Blutbestie?! Warum wird er denn nur so genannt? Zerfleischt er etwa seine Opfer?
Das Schlucken fiel ihr zusehends schwerer, da ihre Kehle eng wurde. Mit starrem Blick geradeaus setzte sie einen Fuß vor den anderen – erst ganz langsam, aber allmählich immer schneller werdend. In ihrem Innern war soeben eine kleine Flamme aufgeflackert, die eine Wut entfachte, die sie tatsächlich ihre Furcht und ihr Selbstmitleid vergessen ließ – die Wut darüber, dass irgendein furchterregender Kerl eigens vom König geschickt wurde, um sie ihrem bisherigen Leben und ihrer Familie zu entreißen. Ihr Herz klopfte wild in ihrer Brust und sie schnaubte wie ein Stier die Luft durch die Nase. Sie musste etwas dagegen unternehmen, um nicht die Beherrschung zu verlieren. Sie verfiel wieder in einen leichten Trab. Nur so konnte sie die Kontrolle über ihre Körperfunktionen behalten und Ruhe bewahren. Kellen interpretierte ihr erneutes Laufen jedoch falsch. Er sah darin Verzweiflung und Angst und wollte sie zum Stehenbleiben bewegen, aber ohne Erfolg. Elea wurde immer schneller, sodass er nach dem Kraftakt von kurz zuvor recht schnell mehrere Schritte zurückfiel. Erst als sie den Waldrand erreichten, blieb Elea stehen, um ihren Puls wieder auf normales Niveau herabsinken zu lassen. Einige Herzschläge später ertönte Kellens Keuchen direkt hinter ihr. Für die junge Frau völlig unerwartet legte er seine Arme von hinten um sie und sagte leise an ihrem Ohr, so dass seine Lippen es berührten und sein heißer Atem es ganz warm werden ließ. „Elea, du darfst nicht die Hoffnung verlieren. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun und dich an einen sicheren Ort bringen, auch wenn dieser Ort am Ende der Welt sein sollte.“
    „ Falls es diese Welt dann noch gibt!“ entgegnete Elea ihm zynisch. „Elea, du weißt, du bedeutest mir alles. Meine Gefühle für dich haben sich auch in den letzten sechs Monden, als ich von dir getrennt war, nicht geändert. Auch wenn Vater und Mutter es gehofft haben.“ Elea riss sich jäh aus seiner Umarmung und giftete ihn an. „Kellen, bitte! Fang jetzt
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