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Die Totengräberin - Roman

Die Totengräberin - Roman

Titel: Die Totengräberin - Roman
Autoren: Sabine Thiesler
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konnte. Johannes grub ein Grab am Rande des Gemüsegartens, wickelte den Hund in seine Schmusedecke und beerdigte ihn. Ohne Stein, aber mit Tränen in den Augen.
    Und Bingos verwesende Leiche machte die Erde fruchtbar.
    Genauso wollte sie nun auch mit Johannes verfahren.
    Sie grub und grub. Unterirdische Wurzeln machten ihr das Leben schwer. Sie zerschlug sie mühsam mit einer Machete, um weitergraben zu können. Laut fluchend über jede Schaufel Erde, die am Rand in die Grube zurückrutschte. Schweißgebadet und völlig verdreckt war sie den Tränen nahe. Ständig hielt sie den Zollstock in die Grube, um die Tiefe zu messen. Vergrößerte sie das Loch in der Breite oder Länge, schien die Grube auf wundersame Weise und ganz von selbst wieder flacher zu werden.
    Magda kämpfte und grub. Sie dachte mit Entsetzen an ihren toten Mann in der Küche und hatte gar keine andere Wahl.
    Um zwei Uhr konnte sie einfach nicht mehr. Sie schwor sich, nie wieder in ihrem Leben eine Schaufel, einen Spaten, eine Spitzhacke oder eine Machete in die Hand zu nehmen, und ging unter die Dusche.
    Johannes wirkte vollkommen friedlich, als sie zurück in
die Küche kam. Sie war wütend auf ihn. Er war an allem schuld. Normalerweise rief man den Bestattungsunternehmer und hatte mit der ganzen Angelegenheit nichts mehr zu tun. Höfliche Menschen kamen ins Haus, legten den Toten in einen grauen Sarg und trugen ihn hinaus. Schoben ihn in ein Auto, schlossen die Türen mit den verdunkelten Scheiben, und er war für immer verschwunden. Vom Erdboden verschluckt. Die Vorstellung bei der Beerdigung, dass er in dieser Grube versenkt wurde, war nur noch ein Gedanke. Kein sichtbarer Beweis, kaum zu verstehen und eine saubere, keineswegs anstrengende Sache.
    Nur sie musste ganz allein das Grab ausheben. Auf diesem fürchterlichen Stück Land mit diesem harten, steinigen Boden. Hätte Johannes das nicht gemacht, was er getan hatte, hätte er eines natürlichen Todes sterben können, und sie müsste diesen schrecklichen Tag nicht hinter sich bringen.
    Sie machte sich eine Dose Thunfisch auf, aß ihn direkt aus der Büchse, trank einen halben Liter Milch und versuchte, Johannes dabei nicht anzusehen. Er machte sie nervös und erinnerte sie daran, was sie noch vor sich hatte.
    Beim Graben war ihr auch bewusst geworden, dass sie das Unkraut des gesamten Gemüsegartens jäten musste. Eine entsetzliche Vorstellung. Aber in dieser Unkrautwüste fiel auch dem blindesten und fantasielosesten Menschen oder gar Polizisten auf, dass hier ein Grab ausgehoben worden war.
    Magda beschloss, einen ausgiebigen Mittagsschlaf zu machen, um Kraft zu tanken. Bei hellem Tageslicht wollte sie die Leiche sowieso nicht durch die Gegend zerren.
    Sie legte sich in den Sessel vor dem Fernseher und schlief augenblicklich ein.

    Um siebzehn Uhr wurde sie wach. Der Abend kam näher. Sie spürte, wie ihr Pulsschlag sich erhöhte.
    Im Haus war es still.
    Noch vier Stunden bis zum Dunkelwerden. Sie hätte nie gedacht, dass ein Tag mit einem Toten in der Küche so verdammt lang sein konnte.
    Wieder legte sie Celentano auf und beschloss, schon jetzt damit anzufangen, die Leiche einzupacken.
    Aus dem Gläserschrank holte sie aus der untersten Schublade zwei große grüne Müllsäcke mit hundertzehn Litern Fassungsvermögen. Sie steckte Johannes’ Füße und Beine in den Sack, der ihm bis zur Taille reichte. Perfekt, dachte sie, nahm den Gürtel aus Johannes’ heller Leinenhose, die noch über der Stuhllehne hing, und verschnürte damit den Müllsack um Johannes’ Bauch, indem sie den Gürtel zwei Löcher enger zuzog als gewöhnlich.
    Sie küsste ihn. Seine Lippen waren kalt und trocken. »Tschüss, mein Lieber«, flüsterte sie.
    Dann stülpte sie ihm den zweiten Müllsack über Kopf, Arme und Brust, holte aus dem Magazin gleich hinter der Küche breites Klebeband und eine Schere und verschnürte und verklebte Johannes wie ein Paket. Er lag wie eine grüne Mumie auf dem Steinfußboden, und Magda musste sich setzen. Sie war schon wieder erschöpft, der Schweiß lief ihr in dünnen Bächen den Rücken hinunter und stand ihr auf der Stirn.
    Noch zwei weitere Stunden grub sie, bis sie mit der Tiefe des Grabes einigermaßen zufrieden war. Siebzig Zentimeter. Mehr schaffte sie einfach nicht, denn im unteren Teil des Grabes stieß sie auf Fels. Und das Schlimmste hatte sie noch vor sich. Vielleicht hatte sie sich einfach zu viel zugemutet. Hatte sich überschätzt und das
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