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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs
Autoren: Dagmar Trodler
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Bote verschluckte sich beinah; dann warf er sich vor der Herzogin zu Boden, holte tief Luft und richtete die Botschaft seines Herrn aus, welcher keine Kraft mehr zum Schreiben gehabt hatte. Robert Guiscard wünschte nichts mehr auf der Welt als sein Weib herbei, denn - Allmächtige Gottesmutter - der Tod saß ihm im Nacken und auf der Brust, ihm blieb nur noch wenig Zeit auf Erden, und er
wünschte sich sein geliebtes Weib an die Seite, um von ihrer Hand geleitet und beschützt von allen Heiligen …
    Ein harter Schluchzer erklang - ein einziger. Dann herrschte gespenstische Stille im Gemach der Herzogin. Der Bote stand auf und verbeugte sich und verließ den Raum. Hinter ihm blähte sich der Vorhang, ganz leicht, wie um die Schwere fortzuwehen, die den Raum befallen hatte. Doch es blieb noch genug davon zurück; Ima rang heimlich nach Luft. Des Boten Schritte verklangen in der Halle, Eile tat jetzt nicht mehr not. Er hatte seinen schweren Dienst erfüllt. Die Schwere floss wie zähes Pech über den Boden.
    Sicaildis hatte sich nicht gerührt. Aufrecht stand sie da, hatte den Anwesenden den Rücken zugekehrt. Niemand konnte ihr Gesicht sehen. Niemand wagte, sich zu bewegen oder ein Wort zu sprechen. Das Atmen wurde zur Last, die Luft im Gemach war so stickig. Vorsichtig stand Ima auf. Die Magd starrte sie erschrocken an, wie sie es wagen konnte …
    Dann stand sie hinter der Herzogin, der flackernde Span an der Wand beleuchtete den gebeugten Rücken. Ihr Atem ging heftig, die langen, weißen Locken zitterten. » Ma dame «, sagte Ima leise.
    Mit einem Ruck drehte Sicaildis sich um, dass die Locken flogen. Ima erkannte verzerrte Gesichtszüge und rote Augen, in denen Tränen verbrannt waren, statt im Fluss Erleichterung zu verschaffen.
    »Packen«, sagte sie knapp zu ihrem Dienstvolk. »Wir reiten sofort los.«
    Das junge Mädchen begann zu weinen vor Aufregung und wusste nicht, wohin zuerst. »Spute dich«, giftete die Herzogin, »und heul nicht rum, sonst lass ich dich auspeitschen!« Ihr Kinn zitterte.
    » Ma dame «, wiederholte Ima. » Ma dame - Ihr solltet den Morgen abwarten, Ihr …«

    »Und Ihr solltet tun, was man Euch sagt«, unterbrach Sicaildis sie. »Packt Eure Sachen und haltet Euch bereit.«
    Imas Augen weiteten sich. » Ma dame - wie redet Ihr mit mir …?«
    Sicaildis trat einen Schritt auf sie zu, und im Licht des Kienspans sah Ima, dass sie doch geweint hatte, denn Tränenspuren durchzogen ihr faltiges, immer noch schönes Gesicht. »Ihr müsst mit mir reisen, Ima. Mein Herzog liegt im Sterben - Ihr müsst alles tun, was in Eurer Macht steht.« Sie griff nach Imas Händen. »Für ihn - und für … mich. Ich brauche Eure Hände. Ich brauche Euch, Ima.« Die Stimme wurde ungewohnt leise. »Schlagt es mir nicht ab, Ima«, flüsterte sie schließlich.
    Ima schluckte schwer. »Die Dame Trota wäre eine bessere Begleitung, ihr Wissen ist unvergleichlich. Allein sie könnte da noch helfen. Lasst Trota rufen.« Sie wusste jedoch genau, dass die alte Ärztin sich mit Händen und Füßen gegen die strapaziöse Reise wehren würde, und kam sich schlecht vor, es überhaupt vorzuschlagen. Außerdem war es Sünde zu denken, man könnte dem Tod ein Schnippchen schlagen. Dennoch wusste sie, dass sie es manchmal konnte. Und die Herzogin war in Rom Zeugin gewesen.
    »Ima.« Sicaildis’ Züge glätteten sich, der Druck ihrer Finger wurde stärker. »Der Allmächtige ruft meinen Herzog zu sich. Diesmal wird es kein Widerstehen geben, das weiß auch er. Diesmal wird es das letzte Mal sein, dass ich seine Hände küsse und ihm Lebewohl sage. Begleitet mich, ich bitte Euch. Begleitet mich auf diesem Weg. Als Ärztin, als - Freundin. Ich bitte Euch.« Sie verstummte und hielt Ima mit ihrem Blick fest gepackt. Fast schien es, als hielten selbst die Mauern den Atem an, denn noch niemals zuvor war Sicaildis’ Stimme derart flehend in der Residenz von Salerno erklungen. »Ich bitte Euch, Ima«, kam es noch einmal ganz leise.

    Der Mantel wehte - die Herzogin war gegangen. Ima stand allein vor der Wand. Die Zeit des Bittens war vorüber. Sie sah sich um. Sicaildis kramte in einer Truhe und wies das heulende Mädchen an, Kleider zusammenzulegen, während eine ältere Dienerin Lederbahnen herbeischaffte, um die Kleider hineinzurollen. Eine Kassette mit Schmuck fiel polternd zu Boden, Perlen rollten auf den glasierten Fliesen umher. »Pass doch auf!«, zischte die Herzogin, obwohl niemand schuld gewesen war. Dies blieb der
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