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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs
Autoren: Dagmar Trodler
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einzige Hinweis auf ihre Nervosität.
    »Ich möchte meinen Mantel holen«, sagte Ima laut, und der Klang ihrer Stimme störte die Unruhe im Raum. Sie fröstelte. Sicaildis sah hoch. »Dafür ist keine Zeit. Wir reisen sofort ab.«
    »Ich möchte meinen Mantel holen«, wiederholte Ima fest. Wut stieg in ihr auf. Sie war keine Sklavin. Sie war eine Freie von edelster Geburt, ihr Vater entstammte königlichem Geblüt, sie wusste auch ohne seidene Kleider, wer sie war. Die beiden Frauen musterten sich. Sicaildis spürte wohl Imas Widerstand und dass sie kämpfen, sich vielleicht sogar ganz weigern würde. Dass diese Heilkundige aus dem Umfeld des englischen Königs kam, war ihr dabei ganz offensichtlich einerlei. Nun ja - nicht ganz.
    »Also gut«, brach sie das Schweigen. »Geht, verliert keine Zeit und holt Euren Mantel. Meine Eskorte wird einen Umweg machen und Euch am Haus der Trota abholen. Ich dulde jedoch keine Trödelei. Beeilt Euch, Ima.«
     
    Kurz darauf stand Ima im Hof und atmete tief durch.
    Pferde wurden gesattelt und gezäumt, ein Handpferd wartete geduldig neben den Transportkisten und graste. Ein Pferdezaum schepperte zu Boden, das hässliche Geräusch von Metall auf Stein drang ihr bis ins Mark. Stille Hast fand sich in den Bewegungen der Knechte - der Herzog
lag im Sterben, die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, obwohl eigentlich Stillschweigen angeordnet worden war. Es war der Zustand vor der Trauer, wo jeder Laut einer zu viel war, wo sich das Ohr empfindlich zusammenzog, wo selbst die Kiesel unter den Füßen die Luft anhielten, wenn man zu hart auftrat, und wo nur Gebete ein wenig Trost schenkten, weil sie Gottes Nähe und Güte erahnen ließen. Sie halfen über die Zeit vor der Trauer, wenn man Gefahr lief zu stürzen, weil die Furcht einen am Laufen hinderte. Und Furcht tötete die Seele, noch bevor sie das Herz erreichte.
    Ima fiel es so schwer, an die Geschichten zu glauben, welche die Mutter immer erzählt hatte. Vor allem weil die Mutter selbst hadernd und zweifelnd vor dem Altar gelegen und schließlich ihr Heil im Rausch der Kräuter gesucht hatte. Wer konnte schon sagen, wo Trost wirklich zu finden war? Und war Gottes Arm nicht viel zu kurz, um Trost zu spenden, wenn die Umarmung eines Menschen zumindest Wärme gab? Furcht und Trauer waren doch zu menschlich, als dass Gottes Güte da irgendwie helfen konnte. Und welcher Arm war stark genug, Sicaildis von Salerno Trost zu spenden? Würde nicht selbst Gott da verzagen?
    Kreuz und quer schossen Ima diese Gedanken durch den Kopf, als sie durch das Tor hetzte und sich auf den Weg hinunter in die Stadt machte. Sie kam nicht einmal darauf, dass sie in höchstem Maße lästerlich und sündhaft sein könnten und dass sie sie am besten gleich zu einem Priester in die Beichte getragen hätte. Am allernächsten war ihr der Gedanke nach ihrem Mantel und einem Paar bequemer Schuhe und ob es wohl gelingen würde, vor der Abreise noch ein paar Bissen zu sich zu nehmen. Ihre Aufregung wuchs. Der Herzog samt aufgeregtem Burghof rückte in weite Ferne.
    Am Horizont war die frühe Morgensonne erschienen,
Salerno wachte langsam auf. Erste Fensterläden klapperten, zwei Karrenträger schlurften durch die Straßen, gähnend zog der eine seine Mütze ins Gesicht. Es duftete nach frischem Brot. Eine Ziege meckerte. Vor der Taverne lag ein Trunkenbold und schnarchte, der Wirt hatte ihn wohl einfach auf der Schwelle entsorgt, wo er den Boden besudelt und sich danach splitternackt ausgezogen hatte. Seine Lumpen waren zu verschmiert, als dass sie ein Bettler gestohlen hätte, und so lagen sie auf einem seltsam ordentlichen Haufen neben ihm. Angewidert wandte Ima sich ab und eilte weiter. Endlich kam der Brunnen in Sicht, dann die Gasse, der kleine Platz, der alte Olivenbaum und Trotas Haus.
    Man stand früh auf im Haus der Trota von Salerno - so auch heute. Trota hatte wie so häufig offenbar überhaupt nicht im Bett gelegen. Mit wirrem Haar schwirrte sie zwischen Küche und Medizinkammer hin und her, deklamierte Verse des Galen und dachte laut über eine Rezeptur gegen Durchfall nach.
    »… denn läuft das Wasser, vertrocknet der Mensch. Was folgt daraus? Was - folgt draus? Trota, denk nach. Ein Eigelb wäre gut. Ein Eigelb stärkt die Säfte, stärkt das Blut. Was noch - was noch, denk nach, Trota …«
    »Cypresse«, sagte Ima und legte der Ärztin die Hand auf die Schulter. Die fuhr herum.
    »Cypresse, Liebes. Woher weißt du das?«
    »Ihr habt
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