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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs
Autoren: Dagmar Trodler
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es mich gelehrt«, lächelte Ima. »Ich musste den ganzen Dioskurides auswendig lernen, wisst Ihr noch? Ich habe des Nachts von Dioskurides wach gelegen und geträumt und mir gewünscht, dass er wenigstens ein schöner Mann ist, wenn ich schon seinetwegen nicht schlafen kann. Ihr habt mir auch gesagt, dass es keine schönen Ärzte gibt, wisst Ihr noch? Und dass ich mir keinen Arzt als Mann erwählen soll, weil ich mit ihm nur streiten würde und er
mich weder durch Wissen noch durch Schönheit würde bezaubern können. Wisst Ihr noch?« Dann wurde sie ernst. »Trota, die Herzogin zwingt mich, sie nach Kephalonia zu begleiten. Heute noch.«
    Die alte Ärztin erbleichte. »Kephalonia. Das ist wohl ein Scherz.«
    Ima schüttelte unglücklich den Kopf. »Nein. Der Herzog liegt im Sterben.« Die Halle schien ihre Worte wieder auszuspucken; dies war das Haus einer Ärztin, und noch lebte der Herzog. Vom Sterben wollten die Wände nichts hören - sie hatten schon genug Errettungen aus Todesnöten erlebt. Noch lebte der Herzog von Apulien, noch war nichts verloren, dies war das Haus des Lebens.
    »Der Herzog liegt im Sterben«, flüsterte die alte Ärztin und sank auf einen Hocker. Unvorstellbar. Robert Guiscard hatte es immer gegeben - viele Salernitaner konnten sich kaum an die Zeit erinnern, als es den Guiscard noch nicht gegeben hatte. Allmächtig war er, allgegenwärtig - unversehrbar. Selbst als vor vielen Jahren ein tückischer Pfeil seinen Brustpanzer durchschlagen hatte und man ihm die Brust hatte aufschneiden müssen, um den Pfeil zu entfernen, hatte er dem Tod ein Schnippchen geschlagen und überlebt, obwohl die Priester an seinem Lager schon Totengebete gemurmelt hatten. Seine unbändige Lebenskraft schrieben manche dem Teufel zu - böse Zungen behaupteten sogar, er habe seine Seele verkauft, um noch mehr Macht zu gewinnen und den Kaiser in Konstantinopel hinwegzufegen … und nun lag er im Sterben. Dieselbe fassungslose Stille wie vorhin in der Residenz befiel das kleine Haus. Nur Trotas Hocker knackte.
    »Ihr werdet ein paar Tage brauchen«, raffte sie sich schließlich auf zu sagen. »Vielleicht hat Gott ihn dann schon …«
    »Die Herzogin ist überzeugt, ihn lebend anzutreffen,
Trota.« Ima griff sich in das offene Haar. Während sie die Worte aussprach, durchfuhr sie ein Bild von Sicaildis und Robert, Hand in Hand, wie sie letzte Worte der Liebe austauschten … Gott meinte es gut mit diesem Paar. Robert mit seiner unbändigen Kraft würde es schaffen, den Tod hinzuhalten, wie er so vieles geschafft hatte, was kaum möglich war. Er würde es schaffen, sie noch einmal zu sehen. Das Bild verwischte. Ima hielt sich an der Wand fest. Die Ärztin sah ihr in die Augen und nickte langsam.
    »Du wirst Medizin brauchen. Ich pack dir zusammen, was nötig ist, Mädchen.« Sie lächelte liebevoll. »Das Wichtigste aber ist in deinem Kopf, Ima von Lindisfarne: Wissen und Verständnis. Du wirst deinen Weg machen.«
    Ima biss sich auf die Lippen, als Trota davonhumpelte. Sie hatte so vieles von ihr gelernt - nun würde sie auf sich gestellt sein, und allein. Sie umklammerte die Tischkante. Allein. Und fort von hier, fort von der Sicherheit eines warmen Zuhauses.
    Was würde Gérard sagen, wenn er kam und sie nicht mehr vorfand?
    Der Ritter de Hauteville hatte ihr nämlich bei ihrem letzten Treffen ein wenig schüchtern, aber doch nach allen Regeln der Kunst den Hof gemacht, was Ima erstaunt hatte, weil es nicht zu ihrer gemeinsamen Geschichte passen wollte. Die Dienstboten des Hauses hatten sich sogar erlaubt zu grinsen, denn der Ritter wirkte alles andere als höfisch und geziemend. Meist waren zudem seine Kleider ungepflegt, und man sah ihm an, dass er von der anstrengenden Reise sofort zu ihr geeilt kam, statt sich herzurichten und die Kleidung zu flicken. Ima hingegen wusste ja, dass er sich in Gesellschaft seines Schwertes weitaus wohler fühlte als inmitten von galanten Nichtigkeiten, die nicht seinem Herzen entsprangen. Sie allein wusste, was sein Herz wirklich sprach, sie war an seiner Seite durch das
brennende Rom gelaufen, sie hatte ihn am Vesuv aus einem todbringenden Rausch errettet und dem Klopfen in seiner Brust gelauscht. Sie wusste, wie sich Leidenschaft anfühlte, welch dramatisch schöne Tode sie bringen und wie friedvoll die Auferstehung neben einem Geliebten sein konnte. Und sie wusste auch, wie schal sie schmecken konnte, wenn man selbst von hoher Geburt war und sich dumme Ermahnungen schickte, dass
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