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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs
Autoren: Dagmar Trodler
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nicht beruhigen, denn jeder in Salerno wusste, wie ungehalten die Herzogin werden konnte, wenn etwas nicht nach ihren Wünschen verlief. Jeder wusste auch, wie gemein ihre flinke Zunge zuschlagen konnte. Darin stand Sicaildis von Salerno ihrem Mann in nichts nach: Robert Guiscard, Herzog von Apulien und Sizilien, war nicht nur bekannt für seine Grausamkeit, sondern auch für die Entschlossenheit, mit der er Reden in die Tat umsetzte. Ob das nun den Kopf kostete oder man nur sein Land verlor - Robert war so hart wie ein Knochen; nicht umsonst fürchtete ihn ganz Italien bis hinauf zum deutschen Kaiser, den er ja erst kürzlich endgültig in die Flucht geschlagen hatte. Terror mundi nannten sie ihn - der Schrecken der Welt, aber eben auch der heimatlichen Halle. Seine Gattin Sicaildis, terror domus , der Schrecken der Residenz, konnte nicht minder gefährlich werden.
     
    Ima hatte die Herzogin schon einige Male in der Residenz getroffen und wusste, dass sie sich bei der Behandlung keinen Fehler erlauben durfte. Sicaildis’ Schmerzen waren nicht gering, ihre Unduldsamkeit war jedoch noch größer. Schon an der Tür roch Ima den süßlichen Zersetzungsgeruch des Fleisches. Nicht einmal Trota, die sie als Leibärztin
zu rufen pflegte, hatte die Krankheit der Beine aufhalten können. Und die Tatsache, dass es keine Besserung gab, machte die alte Dame zu einer ausgesprochen launischen und bisweilen sehr ungerechten Patientin, die obendrein auch noch sämtliche Ratschläge in den Wind schlug, wenn es um das geliebte Essen ging.
    Im Gemach der Herrscherin war es düster. Zwei Dienstmägde hockten am Bett und planschten in einer Wasserwanne herum. Mit spitzen Fingern wuschen sie schmierige Binden aus. Am Fenster konnte man die schemenhafte Gestalt eines Priesters erkennen, der Ave Marias vor sich hin murmelte und immer wieder die Nase herausstreckte, um frische Luft zu schnappen. Billiger Weihrauch quoll aus einem silbrig blitzenden Gefäß und vermischte sich mit dem Krankengeruch zu einem Übelkeit erregenden Nebel, dem Gott ganz sicher fernblieb.
    Die Herzogin ruhte auf einem aufgehäuften Kissenstapel. Ihre weißen Hände wirkten durch den Nebel wie zwei herumirrende Geister, während sie den Dienerinnen gestikulierend Anweisungen gab, wie die Binden zu waschen waren. Vermutlich war sie zu stolz, um ihren Hofstaat zu wecken, damit er mit ihr litt und sie wegen ihrer Schmerzen bedauerte, wie es jede Frau von hoher Geburt getan hätte. Ima ahnte, dass Sicaildis nicht einmal ihren Mann geweckt hätte.
    »Ich hatte nach der Ärztin geschickt.« Die Herzogin stützte sich auf die Ellbogen; ihren scharfen Augen entging nichts.
    »Trota schickt mich, Euch zu behandeln.«
    »Ich hatte nach der Ärztin geschickt«, wiederholte Sicaildis mit scharfer Stimme, und die Dienerinnen zuckten zusammen. Schweißperlen rannen an den Schläfen der Herzogin herab. Sie rührten nicht nur von der Schwüle des Gemachs, die alte Dame fieberte. »Ihr seid nicht erfahren
genug, Mädchen. Geht mir aus den Augen und lasst Eure Lehrerin holen, das hier ist etwas für ihre Hände. Ihr könnt mir nicht helfen.«
    Diese Feststellung war ungerecht - immerhin hatte Sicaildis miterlebt, wie Ima vor nicht allzu langer Zeit dem inzwischen verstorbenen Papst beigestanden hatte. Im Castel Sant’Angelo von Rom hatte sie ihn, für viele unfassbar, wieder auf die Beine gebracht, als er sich geschwächt und halb verhungert zum Sterben hingelegt hatte. Der Guiscard hatte ihm schon ein Grab schaufeln wollen, weil es unter seiner Würde gewesen war, einen bettlägerigen Moribunden in die Freiheit zu tragen.
    »Könnt Ihr warten?«
    Die Frage war dreist, und Ima knautschte ihren Mantel in Erwartung eines sofortigen Hinauswurfs, doch sie kam kaum noch gegen den Zorn an, den die hochmütige Herzogin jedes Mal in ihr auslöste. Trota konnte weitaus besser mit diesem Verhalten umgehen - warum hatte sie sich nur geweigert, ihre Patientin selbst zu behandeln?
    »Ich kann nicht warten«, kam es dann auch heiser aus dem Bett. »Ich habe Schmerzen.«
    »Vorgestern kam ein Bote aus Kephalonia«, wisperte die eine Dienerin, als Ima niederkniete, um ihren Kasten zu öffnen. »Seither quält sie sich …«
    »Was brachte er für Nachricht?«, flüsterte Ima zurück. Seit Wochen saß der Herzog von Apulien mit seinem Heer fern der Heimat auf der ionischen Insel und versuchte, die byzantinischen Truppen zu umgehen. Man munkelte, sein Ziel sei tatsächlich Byzanz …
    »Keine gute.
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