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Die Totenfrau des Herzogs

Titel: Die Totenfrau des Herzogs
Autoren: Dagmar Trodler
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Ärztin, die kranken Frauen ein Obdach und ärztliche Versorgung zukommen ließ. Es gab zwar weiter oben am Berg das große Kloster, wo Heilkunde praktiziert wurde, doch verweigerten die heilkundigen Mönche Frauen die Behandlung, welche über das Verabreichen von Kräutern hinausging. So kam es, dass Ima im Haus der Ärztin weitaus mehr gelernt hatte, als für eine Kräuterfrau üblich war. Sie wusste sogar mit Nadel und Faden umzugehen - auch mit Splittern, Warzen und tiefen Wunden kamen die Frauen lieber gleich in das Haus mit den roten Geranien vor der Tür.
    Die junge Frau neben der Säule hatten sie heute Morgen nach der Geburt nähen müssen, weil der Geburtsriss zu groß gewesen war und die Gebärmutter sich nach unten bewegt hatte. Es war das erste Mal gewesen, dass Ima selbst Hand angelegt hatte, und ihre Lehrmeisterin war sehr zufrieden mit ihr gewesen. Schon in ein paar Tagen würde die Frau nach Hause gehen können. Der Säugling hatte mit Schreien aufgehört und lag nun zufrieden nuckelnd an der Brust seiner Mutter. Die jedoch sah ziemlich blass aus. Besorgt fühlte Ima ihre Stirn.
    »Es tut so weh«, flüsterte die junge Frau. Einem Impuls folgend, zog Ima die Decke von ihren Beinen. Das Laken war blutig, und ihre Beine zitterten vor Schmerz.
    »Warum hast du nicht Bescheid gesagt?«, fragte Ima leise, um niemanden zu beunruhigen.
    »Das Kind schrie …«, kam es schüchtern zurück. Sie war eine von den Frauen aus der Vorstadt, wo es keinen Vater gab und niemanden, der als Pate für das Kind dienen konnte, und so war Trota wieder einmal eingesprungen und hatte den Säugling mit einer silbernen Münze ausgestattet. Doch nun sah es so aus, als ob die Mutter in ernsthafter Gefahr war. Ima reagierte schnell. Sie deckte die Frau wieder zu und eilte in die Medizinkammer, wo Trota
mit schneeweißen Händen Kalk aus der Kiste hob und zusammen mit Öl zu einer Paste verrührte. Es roch durchdringend nach Urin. Ima hatte keine Idee, was daraus werden sollte, und es war auch egal.
    »Helft mir, die Naht hat nicht gehalten.«
    Ohne ein weiteres Wort wischte Trota ihre Hände an der Schürze ab. Jede der Frauen suchte aus den Truhen, was nötig war, und wie von Zauberhand hielt jede das Richtige in der Hand. Aus Beifuß, Salbei, Minze und Essig stampften sie einen Fladen, den die Magd im Feuer briet, Trota wälzte eine fein gerollte Tamponade in gequetschtem Salbei und begutachtete kurz Imas Nahtbesteck, denn sie würden vermutlich einen neuen Faden einziehen müssen.
    Die junge Frau stöhnte wie ein sterbendes Rind, als die im Feuer erhitzte Nadel in das empfindsame Fleisch stach und den dünnen Seidenfaden durchzog. Trota hielt sie bei den Armen fest und sprach ebenso wenig mit ihr wie am Morgen bei der Geburt - das war ihre Art, und nicht jeder mochte sie. So war Ima auf sich gestellt, doch sie wusste genau, was sie zu tun hatte, und sie tat es mit der Ruhe und Umsicht, die sie von der alten Ärztin gelernt hatte.
    »Gleich ist es fertig«, beruhigte sie die junge Mutter und schnitt den Faden mit einem silbernen Messerchen durch. Die Blutung hatte aufgehört. Mit geschickten Fingern stopfte Ima die Tamponade in die Scheide, um die Gebärmutter an ihrem Platz zu halten, und lagerte anschließend das Becken der Frau auf ein Kissen. »So wird es besser heilen«, erklärte sie. »Du wirst noch ein paar Tage hierbleiben müssen, damit du dich richtig erholst.«
    Erleichtert, dass alles gut gegangen war, blieb sie noch einen Augenblick neben der jungen Frau sitzen, während Trota schon längst wieder im Haus herumeilte und Arbeiten verteilte. Tagsüber war es in diesem Haus wahrlich nicht leicht, sich einen stillen Moment zu stehlen.

    »Ihr habt gesegnete Hände«, sagte die junge Frau da und lächelte dankbar. »Möge die Gottesmutter auch Euer Leben segnen. Ich werde dafür beten, wenn Ihr erlaubt.«
    Gerührt nickte Ima. Es kam nicht häufig vor, dass jemand für sie betete. Sie zog die Decke gerade und drehte ihre Runde bis zum Ende des Gartens, wo manchmal genesende Frauen in der Sonne saßen. Heute war die Ecke mit den Steinbänken zwischen Rosenbüschen und Ysopstauden verwaist, und außer Bienen und Schmetterlingen genoss hier niemand den starken Duft der Blüten. Ein paar Singvögel pickten Insekten von den kräftigen grünen Stängeln und flatterten auf, als sie sich näherte. Die meisten flogen nicht weit, als wüssten sie, dass ihnen in diesem Garten nichts geschehen würde.
    Ein unscheinbarer kleiner
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