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Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Toten im Schnee: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Giuliano Pasini
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Ende sein.
    Der Beamte ist deutlich über eins neunzig. Alles an ihm – Gesicht, Arme, Beine, Nase – ist außergewöhnlich lang. Er scheint mehr oder weniger in Robertos Alter zu sein, allerdings hat er auf den Schulterklappen zwei Sterne und einen Turm. Nachdem er einen gierigen Blick auf Alice geworfen hat, stellt er sich mit starkem Veneto-Akzent vor: »Vizequestore Ernesto Sernagiotto. Bei mir sind Techniker und Beamte der Abteilung Kriminaltechnik Bologna.« Mit einer Handbewegung entlässt er Roberto. »Dich brauchen wir hier nicht mehr. Hört, hört, wir übernehmen jetzt die Ermittlungen.«
    Während die anderen in die weißen Schutzanzüge und Schuhe schlüpfen, nähert sich Sernagiotto den Leichen. An der Eiche bleibt er stehen, zieht ein weiches Päckchen Marlboro und ein protziges goldenes Feuerzeug heraus. Er macht ein paar nervöse Züge, dann fängt er lautstark an, sodass seine Leute ihn hören können, Kommentare abzugeben.
    »Schöne Art und Weise, einen Tatort zu sichern! Wir hätten die in zehn Minuten, wenn hier nicht so ein Durcheinander herrschen würde. Aber so was ist wohl für Leute, die zwischen Ziegen und Schweinen hausen, nicht so wichtig. Ganz zu schweigen von diesem Traktor. Sieht aus, als hättet ihr eine Rallye auf dieser Wiese veranstaltet.«
    Roberto beißt sich auf die Zunge. Er konzentriert sich auf die Techniker, beobachtet, wie sie, weiß wie die Tücher über den Leichen, das Band mit der Aufschrift »Halt, Polizei« spannen.
    Sie suchen nach Abdrücken, schießen Fotos, filmen, vermessen, nehmen Proben. Sie scheinen Herren der Lage zu sein. Aber sie sind es nicht. Die Kriminaltechnik kann nur einzelne Versatzstücke darstellen, dann muss jemand anderes das Puzzle zusammensetzen.
    In seinem früheren Leben wäre er das gewesen. Jetzt nicht. Meine Arbeit hier ist beendet. Der Gedanke erleichtert ihn. Er wendet sich an Sernagiotto. »Wenn Sie mich hier nicht mehr brauchen, fahre ich ins Kommissariat und schreibe die Berichte.«
    Der Uniformierte wedelt mit der Hand. »Gehen Sie nur, gehen Sie nur. Sie haben schon zu viel gemacht.«
    Roberto kann sich nicht mehr zurückhalten. »Die Zeit und die Energie, die Sie auf diesen billigen Sarkasmus vergeuden, sollten Sie lieber in die Ermittlung stecken, sonst kriegen Sie den Mörder nur, wenn er zu Ihnen kommt und sich stellt.«
    Der Vizequestore läuft dunkelrot an. So einen Angriff kann er sich vor seinen Untergebenen nicht bieten lassen. Mit langen Schritten kommt er auf Roberto zu, den Zeigefinger bedrohlich ausgestreckt. »Was erlaubst du dir da! Ich werde dein Verhalten unverzüglich melden. Wie heißt du?«
    »Roberto Serra.«
    Sernagiotto bleibt abrupt stehen. Er zieht eine Augenbraue hoch. »Der aus Berninis Spezialeinheit?«
    Roberto nickt, verwundert, dass sich noch jemand an ihn erinnert.
    Der andere wirft in einer übertriebenen Geste der Überraschung die langen Arme hoch. Dann versetzt er ihm einen etwas zu kräftigen Schlag auf die Schulter. »Hört, hört! Ich komm am Neujahrsmorgen an einen Tatort irgendwo im Nirgendwo, und wen treff ich da? Das muss mein Glückstag sein! Was machst du denn hier, am Arsch der Welt?«
    »Ich glaube nicht, dass dies der richtige Augenblick ist, um sich darüber zu unterhalten. Ich wollte Ihnen nur sagen …«
    »Duzen Sie mich doch, Serra.« Seine Stimme klingt, als mache er ein großes Zugeständnis.
    »In Ordnung. Also, ich wollte dir nur sagen: Du bist nicht an einem Tatort. Diese armen Leute sind woanders ermordet und dann hierhergebracht worden«, schließt Roberto. Ohne eine Antwort abzuwarten, geht er zum Campagnola. Als er die Hand auf den Türgriff legt, hört er schnelle Schritte hinter sich.
    »Du willst mich doch wohl nicht mit diesem Typen hier allein lassen?«, sagt Alice, während sie sich in den Panda wirft.

9
    D as trübe Licht, das auf irgendetwas zu warten scheint, verstärkt Robertos schlechte Stimmung. Der Rückspiegel zeigt die Manöver des Pandas. Alice ist nicht in der Lage, sich der vorsichtigen Fahrweise seines Geländewagens anzupassen.
    Nach einigen engen Kurven auf dem Gipfel des höchsten »Bergs«, wie die Einheimischen hier die sanften Erhebungen des Apennins hochtrabend nennen, erscheint Case Rosse. Der Ort erinnert an eine Wachburg über dem weißen Ozean, der die Täler verschluckt hat. Kaum hat man ihn bemerkt, umfängt die dicke weiße Masse auch schon die Autos und zwingt sie, beinahe auf Schrittgeschwindigkeit abzubremsen.
    An einer Gabelung
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