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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
Autoren: Andreas J. Schulte
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beiden wollten wohl doch lieber als wandernde Brüder in die Stadt kommen.“
    Der Kapitän brummte – alles war ihm recht, und dass einer der Mönche bereits bezahlt hatte, verschwieg er. Warum sich nicht zweimal bezahlen lassen? Sollten doch die Mönche tun, was ihnen gefiel. Noch bevor er richtig antworten konnte, wandte sich der Mann vor ihm um, nahm zwei Bündel Gepäck und lief mit einer unvermuteten Gewandtheit das schmale, schlüpfrig nasse Brett zur Hafenmauer hinüber.
    Er ging mit schnellen Schritten auf das große Stadttor zu. Das hektische Treiben des Hafens interessierte ihn nicht. Geschickt wich er Karren und Hafenarbeitern mit Säcken und Fässern aus. Sein Auftraggeber hatte ihm über seinen Mittelsmann die verlangte Geldsumme in Gold geschickt. Nie direkten Kontakt zu seinen Auftraggebern und immer nur Gold, das war sein Credo. Mit dem Gold kamen die Anweisungen. Diesmal reizten sie ihn besonders, denn ihm war nur ein Ziel gesetzt worden, das er zu erfüllen hatte. Wie – das stand ihm frei. Ein Ziel und ein einziger Name, den er möglichst rasch von der Liste tilgen wollte, um sich dann in Ruhe der übrigen Arbeit zu widmen. Man hatte ihm freie Hand gelassen. Während er durch das Stadttor schritt, spürte er die vertraute Anspannung: Vor ihm lag eine große Aufgabe – aber er war schließlich auch nicht irgendwer. Er war der Meister.

4
    „Ich rede und rede, warum aber seid Ihr heute in meine Kirche gekommen, Konrad?“ Heinrich schaute mich fragend an, langsam waren wir um die große Kirche herumgegangen. Auf diese Frage hatte ich gewartet. Ich hatte sie mir selbst in den letzten Tagen immer wieder gestellt. Mittlerweile wusste ich die Antwort.
    „Heinrich, Ihr habt damals vie l für mich getan. Ihr habt Euch um alles gekümmert, als ich dazu nicht in der Lage war. Ich möchte dafür etwas tun, nenn t es einfach eine offene Schuld begleichen.“
    Heinrich fuhr dazwischen: „Redet doch keinen solchen Unfug! Ich will verdammt sein, wenn ich mich nicht kümmere. Da liegen eine bildschöne Frau und ihre kleine Tochter im Sterben, der Mann selber schwer krank, redet nur noch im Fieberwahn. Was hab ich denn groß getan, was nicht jeder andere Christenmensch getan hätte?“
    Heinrichs Worte klangen mir in den Ohren, meine Gedanken wanderten. Maria war bildschön gewesen, Sophie viel zu jung.
    Heinrich spürte meinen Schmerz. Wieder legte er mir seinen massigen Arm um die Schultern. Gott sei Dank verzichtete er dieses Mal auf seine aufmunternden Schläge. „Dreck, Teufel und Verdammnis, was red ich da. Ist immer noch da, der Schmerz und die Trauer, nicht wahr? Aber schaut Euch an – gut seht Ihr aus, und das Leben geht schließlich weiter.“
    Ich verzichtete auf eine Antwort, was sollte ich auch schon sagen. Dass ich wieder gut aussah, war eine dreiste Lüge. Während des Fiebers hatte ich Gewicht verloren. Mit meinen mehr als sechs Fuß Größe war ich mittlerweile dünn wie ein Kräuterweiblein. Mein Gesicht war schmale r, die Falten tiefer geworden. Nicht nur, dass mir Hosen und Hemden am Körper schlotterten, auch meine Kräfte kehrten nur langsam zurück. Manche Bewegung fiel mir noch schwer, doch vor ein paar Wochen hatte ich damit begonnen, jeden Tag zu üben. V on „gut aussehen“ konnte aber wirklich keine Rede sein.
    „Ich möchte etwas tun, Heinrich, ich möchte etwas zurückgeben.“
    „Na ja, wie ich gehört habe ...“ Heinrich verstummte, bekam aber gleichzeitig einen verschmitzten, ja geradezu listigen Gesichtsaus druck: „Abwarten, Konrad, abwarten. Bestimmt fäll t mir etwas ein.“ Wenn ich mir diesen massigen, fluchenden Priester an meiner Seite anschaute, glaubte ich ihm jedes Wort.

5
    Er schritt durch das große Stadttor. Kein Büttel, kein Torwächter hielt ihn auf. Warum auch? Die Stadt lebte vom Handel, von den fremden Kaufleuten, die hier am Hafen ihre Geschäfte machten und abends die Gulden in einem der zahlreichen Gasthäuser ausgaben. Nein, er hatte nicht damit gerechnet, dass er tagsüber angehalten werden würde. Nach dem Abendläuten, wenn die Tore geschlossen wurden, sah das sicher anders aus. Aber genau deshalb war er ja jetzt da. Er würde sich umsehen, die Stadt, ihre Gassen und Höfe studieren. Andernach war eine Leinwand für ihn, weiß und frisch. Hier würde er sein Kunstwerk erschaffen. Eine Bühne ohne Zuschauer, auf der er seine neue Tragödie aufführen wollte.
    Ein wundervoller Gedanke.
    Gleichzeitig nahm er alle Einzelheiten um sich herum
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