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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
Autoren: Andreas J. Schulte
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Fußmarsches. Aber er hatte gelernt. Seine täglichen Wegstrecken wurden kürzer, und wann immer sich die Möglichkeit bot, schloss er sich anderen Reisenden oder Kaufleuten an. In Worms dann traf er Bruder Eckbert, der ebenfalls nach Andernach wollte.
    In Andernach würde Georg erst einmal Station machen, um schließlich die letzte Etappe bis Lübeck anzutreten, seine r Heimatstadt. Georg hoffte darauf, einen Großteil der Reise per Schiff zurücklegen z u können. Doch das musste letztlich der Guardian, der gewählte Vorsteher des Konvents, i n Andernach entscheiden, denn Georgs Reisekasse war fast leer. Er wandte sich erneut seinem Mitbruder zu, der wie er schweigend den eigenen Gedanken nachgehangen hatte.
    „Seht, Eckbert, vor vielen Jahren in Rom war ich Zeuge eines Streites. Dieser Mann dort hatte einen jungen Edelmann ohne Grund beleidigt und herausgefordert. Der Jüngling besaß zwar einen ordentlichen Schuss Heldenmut, doch er hatte keine Chance gegen seinen Herausfordere r.“
    „Aber dann war es ein Kampf, kein Mord.“ Eckbert schien sichtlich erleichtert.
    „Unfug, es war Mord! Der Jüngling hatte sein Schwert noch nicht richtig gezogen, da blieb er wie angewurzelt stehen. Der Bolzen einer kleinen Armbrust hatte ihn tödlich getroffen. Doch nicht genug damit. Sein Mörder ließ die Armbrust unter seinen Mantel gleiten, zog einen Schweizer Dolch, beinah so lang wie ein Schwert, und schnitt dem Jüngling die Kehle durch. Nein, Eckbert, dieser Mann da drüben ist ein Mörder, so wahr mir Gott helfe.“
    „Und was passierte dann?“ Eckbert blickte nun ebenfalls immer wieder auffällig in die Richtung des geheimnisvollen Fremden.
    „Noch ehe die Begleiter des Jünglings wirklich begriffen hatten, was geschehen war, war sein Mörder auch schon verschwunden. Später erfuhr ich, dass der Jüngling ein großes Erbe erwartete, das nun einem Vetter zufiel. Ich sage dir, dieser Streit entstand nicht zufällig, und die Armbrust war auch nicht umsonst gespannt unter dem Umhang getragen worden.“
    Georg starrte wieder auf die Wellen, die an dem Bug des Schi ffes vorbeiströmten. Mit einem Kopfschütteln versuchte er, die Bilder der Ver gangenheit zu verscheuchen. „Kommt, Eckbert, lasst uns dort drüben bei den Getreidesäcken noch etwas ausruhen. Morgen haben wir unser Ziel erreicht.“
    Er spürte die Blicke der beiden Mönche wie Nadelstiche im Nacken. Irgendetwas stimmte nicht. Er zog seinen Mantel fester um die Schultern, das Gesicht unter der Kapuze verborgen. Der Ältere der beiden Mönche schien zu aufgeregt. Verstohlen betrachtete er die Gesichter der beiden. Er war sehr stolz auf sein Gedächtnis. Alles, was er einmal gesehen hatte, schien sich ihm für immer einzuprägen. Eine Gabe, die seinen Lateinlehrer früher in Erstaunen versetzt hatte.
    Dann durchfuhr es ihn wie ein Blitz: Rom, der Auftragsmord an dem jungen Edelmann. Der Mönch hatte in dem Gasthaus gesessen und hätte als einer der wenigen Zeugen auftreten können. Doch so weit war es gar nicht gekommen. Sein Plan war aufgegangen, und er war durch die Hintertür des Gasthauses geschlüpft, noch bevor jemand reagieren konnte. Ein wohliges Schaudern e rgriff ihn, als er an den ungläubigen Blick des Opfers dachte, nachdem der Bolzen der Armbrust sein Herz durchbohrt hatte. Der schnelle Schnitt seines Dolches, das leise gurgelnde Geräusch des letzten Atemzuges. Ja, er liebte seine Arbeit. Und während er in der Ferne die Mauern der Stadt Koblenz in der Abenddämmerung auftauchen sah, wusste er, dass die beiden Mönche verschwinden mussten. Die Gefahr war zu groß, er wollte seine Mission nicht gefährden. Zwei Mönche, warum nicht einmal zwei Mönche … Der Gedanke erregte ihn, und mit einem Lächeln blickte er in die Abendsonne, die die Weinberge in rötliches Licht tauchte. Nur noch etwas Geduld, dann stehen sie vor ihrem Schöpfer. Eigentlich müssten die beiden mir dankbar sein.
    Kein Rheinschiffer blieb, wenn es nicht sein musste, in der Nacht auf dem Fluss. Das kleine Frachtschiff legte bei Sonnenunte rgang an einer flachen Stelle vor Koblenz an. Die wenige Mann starke Besatzung und der Kapitän des Schiffes gingen an Land, und bald sorgte ein großes Feuer für Licht und Wärme. Von der Besatzung kümmerte sich niemand um die drei Passagiere. Die Reisenden hatten für eine Fahrt bezahlt, keiner erwartete Wein oder gar eine Mahlzeit. Eckbert und Georg hatten sich zurückgezogen. Das wenige, was sie besaßen, trugen sie in Ledersäcken
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