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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
Autoren: Andreas J. Schulte
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Vergangenheit, die ich ve rgessen wollte. Am liebsten hätte ich ihn damals mit in die Gruft gelegt.
    „Konrad – bleiben wir doch wirklich einfach bei Konrad.“ Ich hielt Heinrich die Hand hin. Für einen Moment zögerte er, dann griff er beherzt zu. Wäre ich nicht durch den Schlag auf die Schulter gewarnt gewesen, wahrscheinlich hätte er mir die Hand gebrochen. Aber nun, da ich meine Schulter wieder einigermaßen bewegen konnte, war ich vorbereitet. Ich drehte ganz leicht meine Hand nach innen und erwiderte den Druck. Heinrichs Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. „Also nur ‚Konrad‘, soll mir recht sein. Also, lieber Konrad, habt Ihr gekämpft?“
    Wieder kehrte der misstrauische Blick in seine Augen zurück, wenn auch nur für einen kurzen Moment. So wie eine Wolke, die kurz vor die Sonne zieht. „Ach, Heinrich, was soll ich sagen, es ergab sich keine Gelegenheit, wisst Ihr? Ich denke, nicht jeder Mann muss kämpfen. Es gab so viele andere Dinge auf dem Hof meines Vaters.“
    „So seid Ihr auf dem Land aufgewachsen? Aber Ihr habt dennoch eine Schule besucht, ich höre es an Eurer Wortwahl.“ „Ich hatte einen strengen Lehrer, der seine Lektionen durchaus handfest vermitteln konnte, wenn man nicht eifrig genug war.“ „Per aspera ad astra.“ „Durch die Hölle zu den Sternen“, murmelte ich, ohne lange darüber nachzudenken. „So habt Ihr auch Latein gelernt!“ Heinrich schien aufrichtig überrascht. „Ja, Konrad, welche Freude. Sagt, spielt Ihr womöglich auch Schach? Seit Johannes Krieger, unser früherer Schullehrer, im letzten Winter verstorben ist, habe ich keinen Spielpartner mehr finden können.“ „Es ist zwar ein paar Jahre he r, doch ja, auch Schach hab ich einmal gespielt.“ „Großartig, wir müssen in den nächsten Tagen einmal eine Partie spielen. Ich meine natürlich, wenn Ihr ebenfalls dazu Lust habt?“ Warum nicht, Heinrich schien mir der richtige Spielpartner zu sein. Außerdem hatte ich das Gefühl, ich müsste etwas gutmachen. „Gern, kommt vorbei, wann immer Ihr könnt! Ich gehe abends selten aus.“
    Ich ging abends nie aus. Jedenfalls nie zum Spaß. Und ich hatte ganz sicher etwas gutzumachen. Schließlich hatte ich gerade meinen Pastor in weniger als fünf Minuten mehr als einmal belogen. Kein guter Anfang für eine Freundschaft, gar kein guter Anfang.

3
    Wie leicht war es doch, einen Menschen zu töten. Jeder konnte töten – keine Frage, man brauchte nicht einmal besonders viel Mut. Manchen passierte es einfach so, fast nebenbei.
    Nein, er tötete nicht nur, er war ein Künstler, ein Meister seines Faches. Er war geschaffen, um zu töten. Lautlos, wirkungsvoll, ohne Fehler. Dieses warme, schaudernde Gefühl, dieses Prickeln auf seiner Haut, diesen einen Moment bis zur Neige auszukosten wie einen Becher teuren Rotweins. Keine Frau konnte ihm dieses Gefühl geben. Er hatte e s gewusst, schon nach dem ersten Mal. Jun g war er damals gewesen, jung und unerfahren – doch er hatte gelernt, hatte sich selbst immer schwierigere Aufgaben gestellt. Die Lust, die war geblieben. E r liebte es, ihnen in die Augen zu sehen – so wie gestern Nacht bei dem hinkenden Mönchlein. Er sah ihren Blick schwinden, sich von dieser Welt verabschieden. Oft überrascht, meistens entsetzt. Ja, so kurz konnte di e Zeit auf Erden sein, so kurz leuchtete oft nur das Lebenslicht, bevor eine Hand es auslöschte. Seine Hand.
    Er gestattete sich ein zufriedenes Lächeln, als er die Stadtmauern von Andernach auftauchen sah. Das Schiff würde im Hafen anlegen, nicht weit von der Verladestation der Mühlsteine. Fässer und Säcke würden entladen werden, neue Ware an Bord gebracht. Keiner der Besatzung hatte beim Ablegen vor Koblenz auf die Reisenden geachtet.
    Mit einem lauten Knirschen legte das Boot an der Hafenmauer an. Der Kapitän – schlaftrunken und gezeichnet vom nächtlichen Branntweingelage – schaute sich um, als würde er jemanden suchen. „Mein Herr, ehe ich es vergesse: Die beiden Mönche haben heute früh schon das Schiff verlassen.“
    Der Kapitän schaute die dunkelgekleidete Gestalt an, die vor ihm stand, das Gesicht im Schatten der weiten Kapuze verborgen. Noch bevor er etwas erwidern konnte, drückte der Mann ihm ein italienisches Goldstück in die Hand. Dass es Gold war, fiel ihm selbst in seinem benebelten Zustand auf, das spürte er am Gewicht der Münze. „Ich habe den beiden versprochen, ich käme für ihre Fahrt auf. Dies sollte reichen, nehme ich an. Die
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