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Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall

Titel: Die Toten des Meisters - Konrads erster Fall
Autoren: Andreas J. Schulte
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Gewinne ging , wurde mancher eben doch schwach.
    „Na, junger Mann, wie wäre es mit uns beiden?“ Ich drehte mich zur Seite. Der alten Frau, die sich schwer auf den Rand ihres Handkarrens stützte, sah man jedes Jahr ihres biblischen Alters an. Son ne, Wind und viele Jahrzehnte hatten ihre Spuren hinterlassen. Das Gesicht glich einem knorrigen Baumstamm, einem Baumstamm mit nur noch zwei einsamen Zähnen. Doch trotz ihres Alters – die Augen war klar, und ich hätte schwören können, dass ein Teil der Runzeln Lachfalten waren.
    „Leider bin ich schon versprochen, edle Maid – so bleibt mir nur der Trost, etwas gesalzene Butter und Hartkäse mit Kümmel kaufen zu können. Doch ich verspreche hoch und heilig, dass ich bei jedem Bissen an Euch denken werde.“
    „Na, endlich mal ein Bursche, der nicht so schüchtern ist.“ Die Alte gluckste vor Lachen. „Aber ganz ehrlich, junger Herr, mit einer alten Schachtel wie mir hättest du auch nur noch weni g Freude. Als ich jung war, da hätte ich dir ein paar Dinge zeigen können , die …“ Was sie mir hätte zeige n wollen, erfuhr ich nicht mehr, denn in die sem Moment fiel ein schrankbreiter Schatten auf ihren Handkarren, und zum zweiten Mal an diesem Morgen schlug mir eine schwere Hand auf die Schulter. Herrgot t noch mal – hatten denn heute alle den Wunsch, mir die Knochen zu brechen ? Doch noch bevor ich mich umdrehen konnte, dröhnte mir eine sehr bekannte Bassstimme lauthals ins Ohr. „Das hätte ich mir j a denken können, noch vor dem Mittagsläuten auf dem Marktplatz rumlungern und mit der schönsten Frau am Platze anbändeln. Na, wenn ic h das Hildegard erzähle.“
    Die Pranke auf meiner Schulter drehte mich kurzerhand herum. Wahrscheinlich hätte ich dagegenhalten können. Wahrscheinlich – sicher war ich mir nicht. Stimme und Pranke gehörten zu einem der wenigen Freunde, die ich in den letzten Monaten in Andernach gefun den hatte: Josef Schmittges. Von allen nur Jupp Schmittges genannt. Jupp gehörte zu den Stadtknechten. Offiziell gab es unter ihnen keine Rangfolge, doch Jup p hatte die meiste Erfahrung. Er war es, der den übrigen Schwert- und Stockkampf beibrachte. Mit seiner Erfahrung als Soldat hatte Jupp die Andernache r Stadtknechte zu einer diszip linierten Truppe geformt. In Friedenszeiten sorgten die Stadtknechte für die Einhaltung der Marktordnung, und bei kleineren Streitereien ode r größeren Prügeleien griffen sie ein. Andernach s Bürger selbst sorgten für die W achen auf den Türmen der Stadtmauer. Mari a und ich hatten sie kurz nach unsere m Umzug bei einem Spaziergang gezählt: vie r Haupttore, sechs kleinere Pforten und sechzehn Türme – die Bürger hatten eine ganze Menge zu bewachen. Und wieder war es Jup p gewesen, der aus der bunt zusammengewürfelten Gruppe eine schlagkräftige Bürgerwehr geformt hatte, die auch im Ernstfall für die Verteidigung der Stad t sorgen konnte. Ich hatte allerdings das Gefühl , Jupp war ganz froh darüber, dass die Bürgerwehr noch nie ernsthaft hatte kämpfen müssen. Nicht, als ob er seinen Dienst nicht ernst genommen hätte. Man musste aber auch scho n schwer verstört oder lebensmüde sein, um sich mit diesem Bär von Mann anzulegen. Meist reichte selbst bei dem betrunkensten Raufbold das bloße Auftauchen von Jupp, um wieder für Ruhe zu sorgen. Jupp und Pastor Heinrich zusammen, das wäre ein unschlagbares Duo. Die beiden hatte vieles gemeinsam. Bei dem Gedanken musste ic h grinsen.
    „So, so – statt einer Rechtfertigung grinsen wir auch noch blöde. Das grenzt doch glatt an Beleidigung eines Stadtknechts.“ Jupps dröhnende Stimme war nur schwer zu überhören. Mittlerweile drehten sich schon die ersten Leute zu uns um.
    „Mensch Jupp, gib Ruhe! Du verschreckst ja die Marktkäufer. V on der freundlichen Dame mir gegenüber ganz zu schweigen.“
    Tatsächlich schien es, als wäre Jupp das Ganze plötzlich peinlich. Er lächelte verlegen wie ein Schuljunge.
    „Also, das war doch nur Spaß, Konrad. Auf mein Wort, ich freu mich, dass du endlich mal unter die Leute gehst, wurde auch langsam Zeit. Also, nee, so hab ich das jetzt nicht gemeint, versteh mich nicht falsch.“ Jupp brach verlegen ab. Nun grinste ich übers ganze Gesicht: „Lass gut sein, Jupp, ist in Ordnung, ich weiß, was du sagen wolltest.“ Jupp war ernsthaft erleichtert, man sah es seinem Gesicht an.
    Die ganze Zeit über hatte uns die Alte beobachtet. „Sagt mal, ihr beiden Hübschen. Wenn ihr noch lange
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