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Die Tote

Die Tote

Titel: Die Tote
Autoren: Marion
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über seine Hamsterbacken.
    »Frau Wiegand«, begrüßte er sie, »haben Sie sich mal wieder gedrückt?«
    »Wovor gedrückt?«, fragte Charlotte unschuldig. »Konnte nicht eher kommen.«
    Sie hatte in ihrem Leben genug Obduktionen gesehen, um zu wissen, dass es sie keinen Schritt weiterbrachte, wenn sie wusste, wie ein Opfer von innen aussah. Alles Wichtige konnte sie ja in den Berichten nachlesen.
    »Na klar.« Wedel, der natürlich wusste, dass Charlotte nicht erpicht darauf war, seinen Leichenfleddereien zuzusehen, lachte, dass sein ganzer Oberkörper wackelte. Er legte Frau Schneider sein Diktiergerät auf den Tisch und Charlotte den Arm um die Schulter. »Dann kommen Sie mal mit, der Bericht ist zwar noch nicht fertig, das macht unsere Frau Schneider jetzt, aber ich kann Ihnen ein bisschen was erzählen. Und«, er klopfte auf Charlottes Arm, »wenn ich schon so schnell bin, können Sie aber wirklich mal einen ausgeben, Frau Hauptkommissarin.«
    Er zwinkerte seiner Assistentin zu und schob Charlotte durch die Tür.
    Da hatte er allerdings recht, dachte Charlotte und nahm sich vor, ihm wirklich mal einen guten Riesling vorbeizubringen. Sie wusste, dass er den für sein Leben gern trank. In seinem Büro musste Charlotte stehen, weil es keine Möglichkeit gab, sich hinzusetzen. Alles, was auch nur entfernt als Sitzmöbel durchging, war mit Büchern, Zeitschriften oder Akten oder allem zusammen belegt. Charlotte verschränkte die Arme und sah Dr.   Wedel zu, wie er sich ächzend auf seinen Stuhl fallen ließ und die Brille abnahm.
    »Also«, begann er, »Ihre Tote war mindestens sechzehn, höchstens achtzehn und starb an einer ausgedehnten Hirnblutung infolge einer Aneurysma-Ruptur.«
    »Aneu… was?«
    »Aneurysma. Das ist eine Aussackung eines Gefäßes. Man kann damit steinalt werden, aber auch jung sterben – wie Sie sehen.«
    »Dann ist die Frau gar nicht ermordet worden?«
    »Tja«, Wedel faltete die Hände und legte sie auf seinen ausladenden Bauch, »das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Es kann aber sein, dass die Ruptur durch den Schlag auf den Kopf entstanden ist und so die Hirnblutung ausgelöst hat.«
    »Ja was denn nun?«, fragte Charlotte, stemmte die Hände in die Hüften und sah sich um. Vielleicht hatte sie ja einen Hocker übersehen. Sie hätte sich gern hingesetzt, um diese Neuigkeit angemessen zu verarbeiten. »Und was ist eine Ruptur?«
    »Das ist ein Riss in der Gefäßwand. Sie müssen sich ein Aneurysma wie einen Ballon vorstellen, der an einer Ader hängt und durch den das Blut fließt. Es gibt Leute, die ihr Leben lang ein Aneurysma hatten, ohne es zu wissen. Gestorben sind sie dann oft an ganz anderen Sachen. Aber man kann eben auch Pech haben, dann platzt der Ballon oder reißt und, wenn es sich – wie in diesem Fall – um ein Hirn-Aneurysma handelt und die Blutung nicht schnell gestoppt wird, dann ist aus die Maus.«
    »Hm.« Charlotte zupfte gedankenverloren an ihrer Unterlippe. »Und wie entsteht so ein Ding?«
    Dr.   Wedel öffnete die Hände und blickte gegen die Zimmerdecke. »Wenn wir das wüssten.«
    »Also …«, Charlotte zögerte, »… also könnte theoretisch jeder, auch ich, mit so einem Ballon rumlaufen?«
    Dr.   Wedel beugte sich über den Schreibtisch, so weit sein Bauch es erlaubte. »Aber ja. Außerdem hatte die Frau eine ausgedehnte gutartige Hautwucherung auf der linken Schulter.«
    Charlotte nahm einen tiefen Atemzug und stützte die Hände auf den Aktenordnern und Büchern auf Wedels Schreibtisch ab. Er blickte zufrieden zu ihr hinauf.
    »Kann es sein, dass diese Wucherung etwas mit ihrem Tod zu tun hat?«
    »Das glaube ich eher nicht. Das sind Keloide, Gewebswucherungen, die nach Wunden oder Infektionen entstehen können. In diesem Fall wahrscheinlich eine Brandwunde, vielleicht auch Verätzung.«
    »Also nicht von Geburt an?«
    »Nein. Wie alt die Wucherungen sind, kann ich nicht sagen.«
    »Und was ist mit der Kopfwunde?« Charlotte verlagerte ihr Gewicht. Es war unbequem, im Stehen mit einem Sitzenden zu diskutieren, aber Dr.   Wedel war das wohl egal, wenn er es überhaupt zur Kenntnis nahm.
    »Die Kopfwunde ist ihr kurz vor ihrem Tod mit einem runden, länglichen Gegenstand zugefügt worden, aber sie kann auch einfach gestürzt sein, denn die Wunde ist seitlich am Kopf. Auf jeden Fall war sie nicht die Todesursache. Höchstens indirekt, wie ich schon sagte.«
    »Hm«, überlegte Charlotte, »dann muss sie sich mit jemandem gestritten
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