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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard
Autoren: Amanda Cross
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Damentoilette, weil doch hin und wieder eine Dozentin über die Schwelle des Hauses tritt und es ja immerhin ein paar Studentinnen in Harvard gibt. Aber der wahre Grund sind die Sekretärinnen, die Mädels, wie man sie dort bestimmt nennt.«
    »Na gut«, sagte Kate. »Bis jetzt kann ich Ihnen folgen. Würde ich in Cambridge leben, ich wäre Harvard dankbar, daß es diese alten Häuser nicht abgerissen hat, um irgendwelche Glas- oder Be-tonmonstrositäten zu errichten. Aber ich nehme an, diese Meinung weist mich eher als Mitglied des Establishments aus denn als Schwester?«
    »Das sehen Sie ganz richtig«, sagte Joan. »Die Männergesell-schaft weiß, was in ihrem Interesse ist. Gelegentlich fällt das mit dem Interesse von Frauen zusammen, aber nur sehr selten, und dann rein zufällig. Egal, Janet Mandelbaum wurde eines Abends in dieser mahagonigerahmten Badewanne gefunden, voll wie eine Haubitze und bewußtlos. Sie lag im Wasser, nur der Kopf schaute heraus. Und Luellen May, eine der Schwestern, war bei ihr.«
    »War bei ihr?«
    »Ja. Jemand hatte im Café angerufen und behauptet, in der Badewanne läge eine Schwester. Luellen ging hin. Natürlich war es eine Falle.«
    »Ist die Geschichte an die Öffentlichkeit gedrungen?«
    »Nein. Harvard hat dichtgehalten, im eigenen Interesse. Aber es gab eine Menge Zeugen, und die Sache hat sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen – auf die mieseste Art.«
    »Was sagt Janet zu dem Ganzen?«
    »Sie sagt, sie hat keine Ahnung, wie sie in die Badewanne gekommen ist. Das glaubt ihr natürlich keiner. Jeder denkt, sie hat gesoffen bis zum Umfallen. Natürlich ist die Geschichte für Profes-17

    sor Mandelbaum einfach schrecklich. Und das allerschrecklichste ist wohl für sie, daß jetzt alle glauben, sie hätte was mit Luellen. Unsere Janet will ja noch nicht einmal mit dem weiblichen Teil der Studen-tenschaft etwas zu tun haben.«
    »Die Geschichte kann aber keine großen Kreise gezogen haben«, sagte Kate, »sonst hätte ich davon gehört.«
    »Ich wette, Ihre männlichen Kollegen wissen Bescheid. Glauben Sie, die würden Ihnen so was erzählen?«
    Kate schüttelte langsam den Kopf. »Ein oder zwei vielleicht, wenn sie mich zufällig allein erwischt hätten. Was soll ich Ihrer Meinung nach bei dem Ganzen tun?«
    »Janet möchte, daß Sie nach Harvard kommen und ihr helfen.«
    »Das finde ich eigenartig«, sagte Kate. »Wir haben gleichzeitig Examen gemacht. Damals haben wir uns natürlich oft gesehen. Kennen Sie Gertrude Stein? Sie sagte über ihren Bruder Leo: ›Wir waren immer zusammen, und jetzt waren wir überhaupt nicht mehr zusammen. Nach und nach sahen wir uns nie wieder.‹ Wann möchte Janet, daß ich nach Harvard komme?«
    »Ich weiß nicht, bald. Vielleicht nach den Weihnachtsferien.«
    »Und warum bringen Sie, die Sie Janet doch verachten, mir diese Botschaft?«
    »Na, ich habe gedacht, wir alle haben gedacht, wenn Sie kommen, um Janet zu helfen, könnten Sie ja vielleicht auch etwas für Luellen tun. Sie streitet vor Gericht um das Sorgerecht für ihre Kinder. Und diese Geschichte tut ihr nicht gut.«
    Sie saßen eine Weile schweigend da und schauten Jocasta zu, die völlig entspannt auf der Couch schlief, nur ihre Pfoten zuckten heftig. Offenbar wurde ihre Hundeseele von aufregenden Träumen gejagt.
    »Ich weiß«, sagte Joan, während sie aufstand, »Sie werden es sich noch überlegen wollen. Vielleicht wird sich Janet bei Ihnen melden. Auf, Jocasta, du faules Luder!« Das faule Luder reagierte nicht. Joans schriller Pfiff ließ den Kopf des Tieres hochschnellen.
    »Ich habe mir immer gewünscht, so pfeifen zu können«, sagte Kate. »Aber sagen Sie mir eines: Sie würden jeden Mann anlügen und jede Frau, die mit Männern zusammenarbeitet, Sie betrachten das sogar als Ihre Pflicht. Warum sollte ich Ihnen also glauben?«
    »Sie brauchen ja nichts zu glauben«, sagte Joan. »Prüfen Sie es nach. Warum fahren Sie nicht hin und sehen selbst? Wir haben immer eine Matratze für Sie, wenn Sie eine brauchen. Stimmt’s, Jo-18

    casta?«
    »Hampshire Street«, sagte Kate. »Vielleicht werde ich einen Kaffee brauchen.«
    »›Vielleicht nächstes Mal‹ heißt unser Treff. Jeder in Cambridge kann Ihnen den Weg zeigen.«
    Als sie gegangen waren, las Kate gedankenverloren ein paar von Jocastas weißen Haaren von der Couch. Sie hätte gern einen Hund gehabt, aber ein Tier paßte weder in ihr noch in Reeds Leben. »Pferdemist«, murmelte sie kichernd. Es irritierte sie, daß
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