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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard
Autoren: Amanda Cross
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fallen. »Sitz, Jocasta, sitz und bleib sitzen.« Jocasta ließ sich erneut widerwillig auf die Hinterbacken nieder und rutschte mit den Vorderpfoten so weit nach vorn, daß sie, selbst bei strengster Interpretation des Wortes sitzen, eben noch saß.
    Jeder Muskel verriet ihre Anspannung; ihr Blick ruhte auf Kate.
    »Sie kennen mich nicht«, sagte Joan Theresa. »Ich lebe in Cambridge, Massachusetts. Wir sind mehrere Frauen und haben dort ein Café. In der Hampshire Street. Es heißt ›Vielleicht nächstes Mal‹ –
    Jocasta, du Luder, sitz! Oder ich setz dich auf Dosenfutter. Entschuldigung«, sie wandte sich wieder an Kate. »Ich fürchte, Sie machen sie nervös. Nein, nicht Sie natürlich, die Umgebung hier. Sie wun-11

    dern sich bestimmt, warum ich hier bin.«
    Wundern, dachte Kate, ja, ich wundere mich, aber so sehr auch wieder nicht. Worüber soll man sich heutzutage noch wundern?
    »Haben Sie vor, nach New York zu ziehen?« fragte Kate. »Wollen Sie hier studieren?«
    »An dieser Universität? Diesem Stall! Entschuldigung, aber Sie haben mir einen Schreck eingejagt. Nein. Ich bin hergekommen, um mit Ihnen zu reden.«
    »Macht es Ihnen etwas aus«, fragte Kate, »wenn ich rauche?«
    »Ja, es macht mir etwas aus«, sagte Joan Theresa. »Mir wird übel davon.«
    Kate steckte ihre Zigarette wieder in die Packung. »Was kann ich für Sie tun?« fragte Kate (wie sie hoffte, nicht ungeduldig), »außer, daß ich weder rauche noch Jocasta nervös mache?«
    »Ich wollte nicht unhöflich sein. Man hat mir zwar gesagt, daß Sie ziemlich direkt und streng sind, aber nicht wie straight. Sie hei-
    ßen Kate Fansler. Ist Fansler der Name Ihres Mannes?«
    »Nein, der meines Vaters. Theresa, nehme ich an, ist der Name Ihrer Mutter?«
    »Na, das ist gut«, sagte Joan Theresa. »Gefällt mir, daß Sie das sagen.« Kate spürte, wie sich Joan Theresa und Jocasta plötzlich entspannten, kaum merkbar zwar, aber doch schienen beide ein wenig von ihrem Mißtrauen aufzugeben. Jocasta legte den Kopf auf den Boden. Trotzdem war Kate sich bewußt, daß sie genau beobachtet wurde. Der Regenmantel, den sie am Haken aufgehängt hatte, war ein modischer Regenmantel. Ihre Schuhe waren zwar flach, aber modern. Ihre Strumpfhosen bedeckten rasierte Beine. Zu dem Ho-senanzug aus weichstem Wildleder trug sie einen Kaschmirpullover mit Rollkragen, und auf dem Revers ihrer Jacke steckte eine Nadel, eine goldene. Kein Zweifel, Kate war fürs Patriarchat ausstaffiert.
    »Meine Kleidung«, sagte Kate, »macht mir mein Leben leichter –
    so wie die Ihrige Ihnen das Leben erleichtert. Möchten Sie etwas Bestimmtes von mir?«
    »Ja. Aber nicht für mich«, sagte Joan. »Für Janet Mandelbaum.
    Sie sagte, Sie würden sich an sie erinnern. Mandelbaum ist der Name ihres Mannes, aber sie sind geschieden.«
    »Ich weiß«, sagte Kate.
    »Ich hatte auch mal einen Mann«, sagte Joan. Sie rutschte auf ihrem Stuhl herum, und der Hund setzte sich zögernd auf. »Sitz, Mädchen. Wissen Sie, woran meine Ehe endgültig in die Brüche ging?
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    Damals war ich gerade in meiner Gib-dir-Mühe-und-sei-eine-gute-Ehe-frau-Phase; das war, ehe ich den Vornamen meiner Mutter zu meinem Nachnamen machte. Mein Mann, der es ziemlich schwer hatte und mit der Welt nicht zurechtkam, fand eines Tages Pferdemist im Schlafzimmer. Er bildete sich allen Ernstes ein, ich hätte mir die Mühe gemacht, den dorthin zu schaufeln oder vielleicht sogar ein Pferd ins Zimmer zu bugsieren, nur damit er in Pferdemist treten konnte. Die Wahrheit, die er nie hören wollte, war ganz einfach und ohne jede Bösartigkeit. Jocasta war damals noch klein und hatte die Angewohnheit, alles, was interessant roch, zu verschlingen. Ich war mit ihr im Park spazierengegangen, und dort hatte sie Pferdeäpfel verschluckt. Als wir wieder zu Hause waren und ich die Lust meines Mannes befriedigend im Bett lag, kam Jocasta offenbar zu dem Schluß, daß die Pferdeäpfel nicht an der richtigen Stelle saßen, und sie spuckte sie, rund und unversehrt, auf den Schlafzimmerboden.
    Ich stell mir gern vor, daß Jocasta die Pferdeäpfel genau in dem Moment herauswürgte, als mein Mann… na, egal. Und die Moral von der Geschichte hat mit dem zu tun, warum ich hier bin. Männer sind immer davon überzeugt, daß man ihnen absichtlich Pferdemist in den Weg legt, um sie zu ärgern.«
    Stille trat ein, während der Kate über Janet Mandelbaum nach-dachte, die, wie es aussah, der Grund für diesen außergewöhnlichen Besuch war.
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