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Die Tote von Harvard

Die Tote von Harvard

Titel: Die Tote von Harvard
Autoren: Amanda Cross
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Kate hatte kürzlich gelesen, daß Janet als erste Professorin an die anglistische Fakultät von Harvard berufen worden war.
    Natürlich war Janet keine Jüdin; der Name Mandelbaum stand für die einzige liberale Phase in ihrem Leben. Sie hatte den Namen bei-behalten, denn mit diesem Namen hatte sie sich ihren wissenschaftlichen Ruf gemacht, einen beachtlichen Ruf. Ihre Arbeit über die Lyrik des siebzehnten Jahrhunderts war zweifellos das Beste, was seit T. S. Eliot auf diesem Gebiet geschrieben worden war, und damals in den Fünfzigern stürzten sich alle auf die Lyrik des siebzehnten Jahrhunderts. Auch ihre späteren, weniger spektakulären Veröffentlichungen hatten Beachtung gefunden. Aber es war wohl vor allem ihr erstes Buch, das ihr den Ruf nach Harvard eingebracht hatte.
    »Janet war nie Feministin«, sagte Kate.
    »Was Sie nicht sagen! Nun, ich würde es anders ausdrücken«, Joan machte eine ausholende Geste. »Sie war nie eine Frau, jedenfalls was ihre Arbeit angeht.«
    »Ich weiß«, sagte Kate. »Deshalb hat sich Harvard wohl für sie entschieden. Außerdem hat sie sich schon mit Mitte Zwanzig die 13

    Gebärmutter herausnehmen lassen und wird also nie in die Wechsel-jahre kommen, in der, wie jedermann weiß, alle Frauen durchdrehen.
    Ehrlich gesagt, kann ich mir einfach nicht vorstellen, daß Sie und Janet etwas miteinander zu tun haben. Eine höchst unwahrscheinli-che Kombination.«
    »Stimmt! Aber Tatsache ist, daß Janet in Schwierigkeiten steckt.
    Und sie hat die Schwestern mit hineingezogen.«
    »Die Schwestern?«
    »Unsere Kommune. Nichts Religiöses. Wir sind einfach eine Gruppe von Frauen, die einander unterstützen.«
    »In der Hampshire Street.«
    »Sie begreifen schnell. Ich seh schon, daß man Köpfchen braucht, um es im Establishment zu was zu bringen. Janet wurde völlig betrunken im antiken Badezimmer eines Holzhauses auf dem Campus aufgefunden, das zur anglistischen Fakultät gehört. Man hat die Schwestern in die Sache hineingezogen. Wir haben aber nichts damit zu tun.«
    In diesem Augenblick klopfte es an der Tür. Kate öffnete, und vor ihr stand ein Student. Seine Augen hefteten sich auf Jocasta, die seinen Blick mit einem Knurren erwiderte und sich drohend erhob.
    Kate trat vor die Tür und schloß sie hinter sich. »Mr. Marshall«, sagte sie. »Ich weiß, Sie haben einen Termin. Könnten Sie noch ein paar Minuten warten? Bleiben Sie unten in der Halle, bis Sie meine, ehmmm, Gäste herauskommen sehen, ja?« Mr. Marshall nickte, ohne den Blick von Kate zu wenden. In zehn Minuten wird die ganze Fakultät von der Geschichte wissen, dachte Kate. Aber welcher Geschichte?
    Am Abend trafen sich alle drei in Kates Appartement. Kate hatte die Füße hochgelegt. Joan Theresa saß mit gekreuzten Beinen auf dem Boden, und Jocasta schlief auf der Couch. Kate trank Scotch, Joan Kaffee, und Kate rauchte. Sie hatte einen Tischventilator aufgestellt, um den Rauch von Joan Theresa wegzublasen.
    »Sagen Sie bloß nicht, ich sollte aufhören«, sagte Kate. »Ich habe es oft versucht und finde mich schrecklich, weil ich rauche, aber wenn ich nicht rauche, finde ich mich noch schrecklicher. Was um Himmels willen passiert mit Janet in Harvard?«
    Jocasta drehte sich mit zufriedenem Schnaufen auf die andere Seite. Joan verlagerte ihr Gewicht von einem Bein aufs andere. »Daß Janet Mandelbaum und eine der Schwestern gemeinsame Sache machen, ist genauso unwahrscheinlich wie Nixon als Wahlkampflei-14

    ter für Ted Kennedy. Ausgeschlossen! Aber – trotzdem. Ich hab mir schon gedacht, daß Sie nicht wissen, was eine Schwester wirklich ist.«
    »Nein, nicht wirklich. Sie halten ja offenbar nicht alle Frauen für Schwestern, in dem Sinne, wie die Franzosen von Brüderlichkeit sprechen.«
    »Ich bezweifle, daß alle Männer Brüder sind oder je waren, auch wenn sie alle unter einer Decke stecken. Frauen, die Schwestern sind, haben dem männlichen Establishment den Rücken gekehrt und nichts mit den patriarchalischen Institutionen zu tun. Und sie verachten sie zutiefst. Das Patriarchat unterdrückt die Frauen und beutet sie aus, und deshalb sind all seine Institutionen für uns Schwestern gestorben. Wir hätten nichts dagegen, sie in die Luft zu jagen; aber auch wenn wir das nicht tun, werden wir doch zumindest nie in diesem verdorbenen Verein mitmachen. Frauen, die keine Schwestern sind, spielen mit im Männersystem, entweder weil sie Spaß daran haben oder weil sie meinen, sie könnten es verändern.«
    »Wie
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