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Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Tote von Charlottenburg: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Susanne Goga
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Richtung.
    »Verdammt!«
    Er kämpfte sich den Bahndamm hinauf, Zweige peitschten ihm schmerzhaft ins Gesicht. Er biss die Zähne zusammen und horchte auf das Geräusch, das beängstigend rasch lauter wurde. Dann war er oben.
    Zwei Gleispaare, die parallel verliefen. Links in wenigen Metern Entfernung der Bahnsteig für die S-Bahn , auf dem mehrere Personen warteten, dahinter die Gleise für   … Das Rauschen schwoll gewaltig an, dann sah er Lehnhardt im schwachen Licht der Streckenbeleuchtung.
    Er stand auf den hinteren Gleisen, die Arme hingen herab, als wartete er geduldig auf das, was unerbittlich kommen würde. Ein Schnellzug vom Potsdamer Bahnhof mit voller Geschwindigkeit. Lehnhardt stand auf den Gleisen der Fernbahn!
    Leo schaute gehetzt nach links und rechts, dann stürmte er los. Schaute noch einmal nach rechts. In der Ferne tauchte etwas Dunkles auf. Schneller! Er stolperte über den Schotter des Gleisbetts, überquerte die S-Bahn -Gleise, stürzte noch wenige Meter weiter   …
    Der Zug donnerte heran, Leo meinte, schon die Lichter zu sehen. Mit letzter Kraft warf er sich nach vorn und riss Adrian Lehnhardt zu Boden. Dieser wehrte sich, wollte zurück aufs Gleis kriechen, und Leo stemmte sich mit aller Macht gegen die äußere Schiene, um nicht mitgerissen zu werden. »Nein!«
    Noch ein Ruck, dann fiel Lehnhardt schwer auf ihn. Der Luftzug war so gewaltig, dass es ihnen den Atem nahm. Sie wurden zu Boden gepresst, als das metallene Ungeheuer an ihnen vorbeiraste.
    Plötzlich war es still. Leo hörte nur das Schluchzen des jungen Mannes, der halb auf ihm und halb auf dem Schotter neben den Gleisen lag.

25
     
    Robert Walther wartete allein mit der Hauptverdächtigen, während Leo irgendwo in der Dunkelheit verschwunden war.
    Rosa Lehnhardt saß reglos auf dem Sofa, den Blick auf ihre Füße gerichtet. Dann und wann blickte sie zur Tür. Die Spannung im Raum war greifbar   – er konnte seine Fragen nur mit Mühe zurückhalten. Er mahnte sich zur Ruhe. Wenn die Frau reden wollte, sollte sie es von sich aus tun. Dennoch, die Stille war schwer zu ertragen.
    »Soll ich Ihnen ein Glas Wasser kommen lassen?«, fragte er schließlich, um das Schweigen zu durchbrechen.
    Sie schien aus einem Traum zu erwachen. »Nein, nein, mein Sohn bringt es mir gleich.« Ihr Kinn sank wieder auf die Brust.
    Walther stand auf und ging im Zimmer auf und ab. Er hätte gern etwas getrunken, wagte aber nicht, Frau Lehnhardt den Rücken zu kehren.
    »Soll ich Ihnen etwas über Adrian erzählen?«, fragte sie unvermittelt.
    »Natürlich, gern.« Er holte sein Notizbuch heraus, was sie gar nicht zu bemerken schien.
    »Er war ein Wunschkind.« Sie sagte es in versonnenem Ton, als gäbe es den Kriminalbeamten nicht. »Gustav und ich haben uns so sehr Kinder gewünscht, aber er konnte   … Es war nicht möglich. Fast wäre unsere Ehe daran zerbrochen. Ich konnte mit niemandem darüber sprechen, auch nicht mit Freundinnen. Es war zu   … persönlich. Ich wollte Gustav nichtbloßstellen. Nur meiner Schwester habe ich es gesagt. Jette war praktisch veranlagt und ohne falsche Scham. Sie wollte ja Ärztin werden. Sie hat mich getröstet und von einer Adoption gesprochen, aber das wollte Gustav nicht. Er hatte Angst vor Erbkrankheiten und solchen Dingen. Es war eine schwere Last für uns, und ich hatte schon alle Hoffnung aufgegeben.
    Eines Tages stand Henriette aufgelöst vor unserer Tür. Sie war außer sich, stammelte etwas von einem großen Unglück, einer Dummheit, sie wisse nicht, wie es weitergehen solle   … Sie müssen bedenken, es war um die Jahrhundertwende, vor dem Krieg, das war eine andere Welt als heute. Und meine Schwester wollte studieren. Ein uneheliches Kind hätte all ihre Pläne zerstört.
    Wir erwogen alle Möglichkeiten, auch eine   … Abtreibung. Aber das wollte sie nicht. Ich fragte nach dem Vater. Er sei Student, die Geschichte sei vorbei, eine Dummheit eben. Sie wolle ihn nicht wiedersehen. So hatte ich Henriette noch nie erlebt   – hilflos und verzweifelt, wo sie doch immer stark und selbstsicher gewesen war. Ich hätte ihr gern geholfen, aber mir fiel zunächst keine Lösung ein.«
     
    Leo saß in eine Decke gewickelt in der Amtsstube des Bahnhofsvorstehers. Neben ihm auf dem Boden lagen seine nassen, verschmutzten Kleidungsstücke. Er trank einen Kaffee, den ihm ein hilfsbereiter Bahnbediensteter gebracht hatte.
    Nachdem er um Hilfe gerufen hatte, waren mehrere Schupos herbeigeeilt und hatten ihn
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